Hexenjagd – nicht nur im Mittelalter
Erinnern an einer Statue des Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld in Paderborn an dessen bahnbrechende Schrift gegen die Hexenprozesse (v. l.): Kathrin Waldhoff, Michael Mendelin und Leonie Jedicke vom Diözesan-Caritasverband Paderborn. (Foto: Markus Jonas)
Vor 387 Jahren, am 7. August, starb Friedrich Spee. Vier Jahre zuvor hatte er in seiner Zeit als Professor der Moraltheologie in Paderborn eine wegweisende Schrift verfasst: die Cautio criminalis, mit der er die Rechtmäßigkeit der Hexenprozesse anzweifelte. Die Aktion "Unser Kreuz hat keine Haken" des Diözesan-Caritasverbands nimmt Friedrich Spee zum Anlass, auf die Hexenverfolgungen unserer Tage zu verweisen. Denn jede Form von Diskriminierung muss geächtet, ihrem Ursprung in Verschwörungstheorien begegnet werden.
Mitteleuropa im 15. und 16. Jahrhundert: Die kleine Eiszeit führt zu Missernten und Hungersnöten. Die durch Hunger geschwächten Menschen werden Opfer vielfältiger Erkrankungen, beispielsweise der Pest. Für nicht erklärbare Wetter- und Krankheitsphänomene braucht es Schuldige. Menschen, die besonders für die Versorgung von Kranken, Schwangeren und Kindern verantwortlich sind, werden zu Sündenböcken, zu Hexen. Das einfache Volk verfolgt sie. Unter Folter sollen sie ihre Schuld gestehen und werden zu Tausenden auf Scheiterhaufen verbrannt. Verschwörungsmythen bekommen immer dann Hochkonjunktur, wenn Menschen sich Phänomene nicht erklären können, nach einfachen Lösungen und Schuldigen suchen.
Die Rolle der Kirche in dieser Zeit war zwiespältig. Auch wenn die Hexenprozesse von weltlichen Institutionen angestrengt und vor staatlichen Gerichten verhandelt wurden, gab es kirchliche Hexentheoretiker. Und auch päpstlicherseits wurde der Hexenglaube erst sehr spät und spärlich verurteilt. Es gab auch eine Reihe von prominenten Gegnern unter den Kirchenleuten. Einer ist der in Kaiserswerth 1591 geborene Friedrich Spee von Langenfeld. Der Jesuit erhielt 1629 in Paderborn eine Professur für Moraltheologie. Er war Beichtvater von Menschen, die der Hexerei angeklagt waren. Im Unterschied zu vielen Beichtvätern seiner Zeit fügte er sich nicht in das System ein und erwartete in der Beichte kein Geständnis der Hexerei. Im Mai 1631 veröffentlichte er anonym seine Cautio criminalis, die rechtliche Bedenken gegen die Hexenprozesse enthielt. Er brandmarkte Folter als ein ungeeignetes Mittel der Wahrheitsfindung. Durch die körperlichen Qualen könne man jeden Menschen zu beliebigen Geständnissen bringen. Es ist zu vermuten, dass Friedrich Spee zur Beendigung der Hexenprozesse einen entscheidenden Beitrag leistete.
Im Jesuitenorden blieb der Verfasser offenbar nicht anonym, denn im gleichen Jahr der Veröffentlichung wurde ihm die Professur in Paderborn wieder entzogen. Friedrich Spee war auch Lyriker. Von ihm stammen die Gotteslob-Lieder "O Heiland, reiß die Himmel auf" und "Zu Bethlehem geboren". Die Sensibilität eines Dichters ließ ihn offenbar auch mit den gefolterten Menschen mitfühlen.
Auch heute sind Hexenprozesse noch an der Tagesordnung - so in Ghana, Tansania, Kenia, Nigeria und der Demokratischen Republik Kongo, aber auch in Ostindien, Malaysia und Papua-Neuguinea. Wie in den europäischen Hexenverfolgungen des Mittelalters sind die Opfer in erster Linie Frauen, aber auch Kinder. Das "Kompetenzteam Geschlechtergerechtigkeit" des Diözesan-Caritasverbandes macht auf dieses grausame Phänomen aufmerksam. Gemeinsam mit der Aktion "Unser Kreuz hat keine Haken" treten die Akteurinnen und Akteure des Kompetenzteams gegen jede Form von Diskriminierung ein. "Mit Sorge beobachten wir weltweit die Zunahme von Verschwörungstheorien, die Nährboden sind von Diskriminierung", so Kathrin Waldhoff vom Kompetenzteam.
Zum Jahrestag von Friedrich Spee, der am 7. August 1635 starb, möchte die Aktion "Unser Kreuz hat keine Haken" daran erinnern, dass Folter niemals ein Mittel der Wahrheitsfindung sein kann. Lösungen für heutige Probleme in einer komplexen Welt zu suchen, sei mühsam, so Leonie Jedicke vom Kompetenzteam. "Wir wenden uns gegen jeden Versuch, Schuldige zu benennen und zu diskriminieren, um schnelle Lösungen zu präsentieren", macht sie die Intention von "Unser Kreuz hat keine Haken" deutlich. Auch in unserer Gesellschaft gebe es gerade in Krisenzeiten Tendenzen, einzelne gesellschaftliche Gruppen für Missstände verantwortlich machen zu wollen. Diesen Bestrebungen müsse mit aller Vehemenz entgegengetreten werden.