Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz für Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften
Das AGG sieht eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz vor: Unter bestimmten Voraussetzungen sind Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften und ihren Einrichtungen Ungleichbehandlungen im Arbeitsleben gestattet, beispielsweise in Einrichtungen von Caritas oder Diakonie, in Koranschulen oder in Waldorf-Schulen. Die Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen können gemäß § 9 Absatz 1 AGG eine Beschäftigung von der Religionszugehörigkeit oder der Weltanschauung abhängig machen, wenn die Tätigkeit oder die Umstände der Ausübung in einem Zusammenhang mit dem religiösen Auftrag der Organisation stehen. Hier wird das Ethos der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft als Maßstab für berufliche Anforderungen im Sinne von § 8 AGG anerkannt. Eine Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit ist unstreitig bei Tätigkeiten gerechtfertigt, die eine Verkündung oder Vermittlung des Glaubens oder einer Weltanschauung beinhalten. Dazu zählen insbesondere Gottesdienstgestaltung, praktische Seelsorge und Ausbildung der Geistlichen sowie caritative Tätigkeit im engeren Sinn, aber auch Leitungstätigkeiten und Öffentlichkeitsarbeit. Anders liegt der Fall bei einer Arbeit im verkündungsfernen Bereich.
Im Zusammenhang mit Fragen zur Zulässigkeit einer konfessionsabhängigen Ungleichbehandlung gibt es Urteile des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Urteil des BAG vom 20.02.2019, 2 AZR 746/14 zur Kündigung eines wiederverheirateten Chefarztes durch den katholischen Träger eines Krankenhauses). Die Urteile enthalten im Hinblick auf § 9 AGG u.a. die folgende Kernaussage: Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion ist nur dann zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung "eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstellt. In derartigen Fällen ist nach den Umständen des Einzelfalles zu differenzieren und abzuwägen.
Kirchliche Arbeitgeber müssen Loyalitätspflichten genau prüfen und sorgfältig begründen. Bereits 2018 hatte der Europäische Gerichtshof festgelegt, dass ein loyales Verhalten im Einzelfall anhand der konkreten Tätigkeit begründet werden muss.