Über einen zu geringen Frauenanteil in ihren Reihen, kann die Caritas im Erzbistum Paderborn nicht klagen, 80 Prozent der mehr als 60.000 Beschäftigen sind weiblich, im Ehrenamt liegt diese Zahl noch höher. Auch die Leitungsebene in Diensten und Einrichtungen ist längst nicht mehr männerdominiert. Dennoch steht für die verbandliche Caritas das Thema Geschlechtergerechtigkeit zurzeit ganz oben auf der Agenda. „Geschlechtergerechtigkeit ist weit mehr als Frauenförderung“, betont Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. Wer sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetze, bejahe die Vielfalt in Diensten und Einrichtungen. Nur in dieser Diversität seien Caritas-Träger erfolgreich und als Arbeitgeber attraktiv, hieß es jetzt übereinstimmend bei einem Workshop zum Abschluss des Projektes „Geschlecht. Gerecht gewinnt“ in der Katholischen Akademie Schwerte.
Innerhalb von anderthalb Jahren hat dieses mit EU-Mitteln geförderte Projekt des Deutschen Caritasverbandes an drei Standorten im Erzbistum Paderborn (Hagen, Olpe, Paderborn) einiges angestoßen. So wurde die Mustersatzung für die örtlichen Caritasverbände auf Geschlechtergerechtigkeit hin überprüft und überarbeitet. Im Caritasverband Hagen wurden neue Leitlinien erarbeitet, die einen gendergerechten Führungsstil festschreiben sollen. Der Caritasverband für den Kreis Olpe erprobt in einer Altenhilfe-Einrichtung ein neuartiges familienfreundliches Arbeitszeitmodell, das zu längeren Freizeitphasen führen soll, in denen sich Beschäftigte verlässlich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern können. Geschlechtersensible Sprache war schließlich auch ein Thema. So steuerte der Diözesan-Caritasverband eine entsprechende Handreichung bei. Allen ist klar, dass es dabei nicht stehen bleiben darf und es 2019 mit weiteren Schritten insbesondere zur Vereinbarkeit von Familie bzw. Lebensphase und Beruf weitergehen muss.
Beim Abschluss-Workshop des Projektes warfen die Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Projektstandorte einen Blick auf die biblisch-theologischen Zusammenhänge des Themas. Prof. Dr. Marie-Theres Wacker vom Seminar für theologische Frauenforschung der Universität Münster, legte dar, wie die feministische Theologie z. B. die Geschlechter in der christlichen Trinitätsvorstellung interpretiert. So werde in der Bibel Gott als Vater und als Mutter bezeichnet, der Sohn als Weisheit Gottes, der Geist als Geisteskraft. Welche Folgen biblische Bilder haben können, verdeutlichte Wacker anhand des Genesis-Textes von der Erschaffung der Frau aus der Rippe Adams. Während die jüdische Tradition darin eher eine „Teilung“ des Menschen sieht – der hebräische Urtext spricht von der Frau als „Männin“ – , dominierte faktisch eine andere, „männerzentrierte“ Lesart: Demnach ist die Frau lediglich ein vom Mann „abgeleitetes“ Wesen – mit entsprechend abgeleiteter, nur indirekter Gottesebenbildlichkeit. Solche Schlussfolgerungen sind, so Professorin Wacker, exegetisch nicht haltbar. So berichte das Buch Genesis schon zuvor von der Erschaffung der Menschen („Lasst uns Menschen machen“).
Dennoch beeinflusste die Vorstellung von der Erschaffung der Frau aus dem Mann heraus das Bild der Frau über Jahrhunderte. Es befeuerte die Zweitrangigkeit von Frauen und habe Geschlechterstereotypen gefestigt, was Nachwirkungen bis in die heutige Zeit habe. So würden Frauen immer noch allein aufgrund ihres Geschlechtes auf dienende Berufe, wie Erziehung und Pflege festgelegt. Das Projekt „Geschlecht. Gerecht gewinnt“ hat das Ziel, genau solche Stereotypen zu überwinden. Josef Lüttig: „Es braucht dazu keine schönen Worte, es geht um die operative Umsetzung.“