Der
Diözesan-Caritasverband Paderborn kritisiert einige Neuerungen des
Verbraucherinsolvenzverfahrens. Das Gesetz, das am 1. Juli in Kraft getreten
ist, biete zwar die Möglichkeit zur Verkürzung der Restschuldbefreiung, sagt
Jennifer Engelmann, Referentin für Schuldner- und Insolvenzberatung. Doch in
der Praxis seien die Bedingungen dafür kaum zu erfüllen. Zudem könne das Gesetz
familiäre und freundschaftliche Beziehungen schwer belasten, weil es im Rahmen
eines neuen „Insolvenzplanverfahrens“ vorsehe, auf Darlehen von Familie und
Freunden zurückzugreifen.
Das neue Gesetz bietet die Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren schon nach fünf
Jahren abzuschließen. Dafür muss der Schuldner aber innerhalb von drei Jahren
35 Prozent der Schulden plus Verfahrenskosten bezahlen. „Dies klingt zunächst
positiv, da den Schuldnern ein schnellerer Neustart ermöglicht wird“, sagt Jennifer
Engelmann. „Doch nur den wenigsten wird dies gelingen.“ Der Betrag, der
insgesamt beglichen werden müsse, summiere sich auf ca. 60 bis 65 Prozent der
Gesamtschulden. „Das Klientel, das Hilfe und Unterstützung in den
Schuldnerberatungsstellen der Caritas sucht, kann diese Summe in der Regel
jedoch nicht aufbringen.“ Zudem könne man bei Schuldnern, die 60 Prozent ihrer
Schulden zurückzahlen können, davon ausgehen, dass ein Insolvenzverfahren ganz
vermieden werden könne, und stattdessen ein außergerichtlicher Einigungsversuch
möglich sei. „Es bleibt also abzuwarten, ob die rechtlichen Veränderungen zur
Verkürzung der Restschuldbefreiung Relevanz für die Arbeit in den
Schuldnerberatungsstellen der Caritas haben werden.“
Problematisch sei auch, dass armutsbedrohte Menschen von der Neuregelung faktisch
ausgeschlossen würden. „Unser Sozialsystem ist weiterhin so kompliziert und die
behördlichen Hürden sind so hoch, dass viele Menschen ihnen zustehende
Ansprüche nicht realisieren“, erklärt Engelmann. „Diesen Menschen wird mangels
finanzieller Mittel eine frühzeitige Restschuldbefreiung versagt, obwohl es
sich hierbei um Familien, Frauen und Männer handelt, die über Jahre versucht
haben, mit dem Lebensnotwendigen auszukommen“, kritisiert sie. „In diesem Zusammenhang
muss über die Höhe der Sozialleistungen diskutiert werden, weil diese nicht
auskömmlich sind.“ Die Caritas wende sich gegen eine „Zwei-Klassen-Schuldnerberatung“.
Neben der Verkürzung der Restschuldbefreiung bietet das neue
Verbraucherinsolvenzverfahren auch die Möglichkeit des „Insolvenzplanverfahrens“.
Der Insolvenzplan stellt einen Vergleich dar, dem die Mehrheit der Gläubiger
zustimmen muss, damit das Verfahren aufgehoben wird. In der Regel bedeutet die
Zustimmung zum Insolvenzplan eine höhere Auszahlung an die Gläubiger als im
Insolvenzverfahren. Damit aber ein Insolvenzplan aufgestellt werden kann, muss
der Schuldner eine gewisse Geldsumme zur Verfügung haben. Der Gesetzgeber sieht
dabei vor, auf Ressourcen des eigenen Umfeldes, also auf Darlehen von Familie
und Freunden zurückzugreifen. „Geldleihen zur Bezahlung bestehender Schulden
mindern die Schuldensumme nicht, sondern verlagern sie in der Regel nur in
andere Hände“, kritisiert Engelmann. „Die Gläubiger erhalten zwar
Ausgleichszahlungen, der Schuldner muss dafür aber Schulden bei Freunden und
Familie aufnehmen. Insbesondere die innerfamiliären geldlichen Verpflichtungen
können die familiären und freundschaftlichen Beziehungen schwer belasten“,
erklärt Jennifer Engelmann. „Die Gefahr ist groß, dass diese Netzwerke des
Schuldners, die er zur Unterstützung in seiner Lebenssituation benötigt,
letztendlich auch noch wegfallen, und sich die soziale Isolation des Schuldners
verstärkt.“