Fachtag „Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Kirche und Caritas“
Zeugnis von der Liebe Gottes ablegen - das ist für die Caritas in ihrem Handeln selbstverständlich, und zwar gegenüber allen Menschen. Genauso selbstverständlich ist es für uns, dass wir im Sinne Jesu uns den Menschen in all ihrer Vielfalt zuwenden. Als Teil der katholischen Kirche unterliegen wir gleichzeitig der kirchlichen Grundordnung und der kirchlichen Lehre. Viele Verbände in der Caritas-Landschaft suchen Antwort auf die Frage: Wie können wir wertschätzend mit der Vielfalt in unseren eigenen Reihen umgehen? Der Diözesan-Caritasverband Paderborn arbeitet mit im Vielfaltsnetzwerk des Deutschen Caritasverbands. Thematisch befassen wir uns mit allen Vielfaltsaspekten.
Nach der Kampagne #outinchurch widmete sich das Vielfaltsnetzwerk in einem Fachtag dem Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Kirche und Caritas. In seinem Vortag erläuterte der Mainzer Moraltheologie Prof. Dr. Stephan Goertz die Denkweise der vormodernen kirchlichen Sexuallehre. Diese führe zwangsläufig zu Abwertung und Diskriminierung von Menschen nicht-heteronormativer geschlechtlicher und sexueller Identität.
Die Leiterin der Abteilung Seelsorge im Generalvikariat des Bistums Osnabrück Dr. Martina Kreidler-Kos berichtete über ihre Arbeit im Synodalforum IV beim Synodalen Weg. Themen besprechbar und Veränderungen möglich zu machen, sei schon ein wesentlicher Erfolg in diesem Forum. Die Würde jedes Menschen müsse zukünftig zentraler Orientierungspunkt christlicher Sexuallehre sein. So steht im Grundtext: Diese Würde "stellt alle Menschen auf die gleiche Stufe, unabhängig von sexueller und geschlechtlicher Identität, von Alter oder Beziehungsstatus." Gleichzeitig wird das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung betont. Diesem Paradigmenwechsel haben 168 Synodenteilnehmer*innen zugestimmt, 28 votierten mit Nein bei fünf Enthaltungen. In einem Handlungstext wird eine lehramtliche Neubewertung von Homosexualität gefordert. Diese - "auch in sexuellen Akten verwirklichte - Sexualität ist keine Sünde, die von Gott trennt." Weiter steht im Handlungstext: Die Synodalversammlung fordert die Bischöfe auf, Segensfeiern gleichgeschlechtlicher Paare offiziell zu ermöglichen, außerdem die Grundordnung des kirchlichen Dienstes zu ändern.
Jens Ehebrecht-Zumsande erläuterte als Mitinitator von #outinchurch die Entstehungsgeschichte dieser Kampagne, angeregt durch #actout im Februar 2021, bei der sich Schauspieler*innen öffentlich outeten. Die Geschichte queerer Menschen in der katholischen Kirche sei sehr häufig eine Geschichte von Scham und Beschämung. Die Videos der 125 Mitarbeitenden in Kirche und Caritas seien Glaubenszeugnisse von Menschen, denen Kirche gleichzeitig Heimat sei. Ein Schweigekartell in der Kirche habe Mitarbeitende aufgefordert, ein Doppelleben zu führen. Gleichzeitig versteckten sich auch alle, die sich über die Grundordnung hinwegsetzten. Es bleibt die Frage, wie mit dieser kirchlichen Schuldgeschichte umgegangen wird. Wo können Erzählräume entstehen, in denen Menschen von ihren schmerzhaften Erlebnissen erzählen können?
Martina Kreidler-Kos appellierte an die knapp 200 Teilnehmenden der Caritas sich als Brücke zu verstehen, indem sie kirchliche Verantwortliche mit Wirklichkeit in Vielfalt in Kontakt bringt.
Autorin: Leonie Jedicke (Referentin für Kompetenz- und Profilbildung, DiCV Paderborn)