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Dem anderen aufhelfen: Mit einem Flashmob machen junge Leute auf das Problem des Suizids bei Jugendlichen aufmerksam. (Foto: cpd / Flüter) |
Einen Moment lang stockt der Alltagsbetrieb in der belebten Einkaufsstraße. Etwa 40 junge Menschen, fast alle Frauen, legen sich gleichzeitig auf das Pflaster der Fußgängerzone. Nach und nach helfen ihnen andere in orangefarbenen T-Shirts hoch. Die Passanten schauen irritiert. Bis ein Plakat hochgehalten wird: „Suizid aus der Tabuzone!“
Die Fußgänger
in der Paderborner Westernstraße sind Zeugen eines „Flashmobs“ geworden. Dieses
Mal war der Anlass kein Spaß, sondern ein schweres Thema: Suizid. Etwas, das
sonst verschwiegen wird. Dabei sterben in Deutschland 600 Jugendliche im Jahr
an einem Suizid, an jedem Tag fast zwei. Ein Team der Caritas machte damit auf
die zurzeit entstehende Onlineberatung „[U25]“ in Paderborn aufmerksam. Dabei
beraten und begleiten junge ehrenamtliche „Peers“ gleichaltrige Hilfesuchende
in oft ausweglosen Lebenssituationen.
Die meisten in dem Alter wissen, dass das Thema ganz nahe ist. Sie habe eine
Freundin gehabt, die sich monatelang mit Depression gequält habe, sagt Annika
Wendehals (21): „Ich fühlte mich absolut hilflos.“ Die Freundin hat den Weg in
eine Klinik geschafft, Annika Wendehals hat den Aufruf zum Flashmob auf „1live“
im WDR gehört und ist spontan in die Westernstraße gekommen. Sie kann sich gut
vorstellen, „Peer“ im Projekt „[U25]“ zu werden. Das englische Wort bedeutet
„Gleichgestellter“ – und diese Rolle wird sie übernehmen, wenn sie für „[U25]“
mit hilfesuchenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen online in Kontakt tritt.
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Den Suizid aus der Tabuzone holen wollen (von links) Linda Kaiser (Diözesan-Caritasverband), Christine Kapone, Friedhelm Hake (Caritasverband Paderborn), die „[U25]“-Teamleiterin Carolina Groppe, Lorena Königs, Paderborns Bürgermeister Michael Dreier sowie Projektreferentin Simone Segin (Diözesan-Caritasverband). (Foto: cpd / Flüter) |
Das ist das
Prinzip von „[U25]“: Jugendliche helfen anderen Jugendlichen wieder auf, so wie
beim Flashmob. Die Peers werden dabei von der Sozialpädagogin Carolina Groppe
geschult und begleitet. „[U25]“ ist ein Projekt der Caritas mit fünf Standorten
in Deutschland. Paderborn ist der sechste, Dortmund wird folgen. Das Projekt
ist sehr erfolgreich, die Idee stößt auf viel Zustimmung. In Paderborn ist
Bürgermeister Michael Dreier vorbeigekommen und zeigte sich begeistert.
Besonders der „unbezahlbare ehrenamtliche Ansatz“ hat ihm gefallen.
Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig hat sich sehr für „[U25]“ eingesetzt,
nachdem er das Projekt in Gelsenkirchen kennen gelernt hat. Vor allem die
jungen Menschen haben ihn beeindruckt. „Wer als Peer arbeitet, lernt unheimlich
viel – für sich und das Leben“, sagt er.
Für Nicole Kleppin (23) geht es darum, anderen zu helfen, die nicht
weiterwissen. Wer betroffen ist, „wird oft allein gelassen, auch in der
Schule“, sagt die Studentin. Deshalb war es für sie selbstverständlich, sich
in der Fußgängerzone aufs Pflaster zu legen: Als Zeichen dafür, dass niemand
einfach mehr so vorbeigehen sollte.