Seit fast zwei Monaten gelten Betretungs- und Kontaktverbote für Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie. Faktisch herrschen Ausgangsperren. Besuche sind erst seit einigen Tagen nur kurz und unter strengen Schutzbestimmungen möglich, was vor allem für kognitiv eingeschränkte Bewohner verstörend ist, genauso wie die Quarantäne nach notwendigen Besuchen außerhalb der Einrichtung. Obwohl die Einrichtungen alles tun, um bei den Betroffenen kein Gefühl des Eingesperrtseins aufkommen zu lassen, zeigen sich gravierende negative Folgen.
"Manche Bewohner stecken das gut weg, aber ich erlebe auch viel Wut, Ratlosigkeit, Verzweiflung und Apathie", berichtet Klemens Kienz, Sprecher der diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Angehörigenvertretungen in Caritaseinrichtungen der Behindertenhilfe im Erzbistum Paderborn. Unter Tränen berichten ihm zurzeit Angehörige, wie sich ihre in der Regel erwachsenen Kinder in der Isolation veränderten; einzelne Eltern, oft schon betagt, spielten mit dem Gedanken, ihren Angehörigen aus der Einrichtung zu holen.
Für Klemens Kienz ist die Situation bedrückend, zumal sie alles in Frage stelle, was Behindertenhilfe eigentlich ausmache: Menschliche Nähe, positive Beziehungen, gesellschaftliche Teilhabe seien für Menschen mit Behinderung von entscheidender Bedeutung. "Was wir gerade erleben, ist eine Tragödie", so Kienz. Eine Lösung sieht nicht nur Klemens Kienz in einer engmaschigen Testung von Bewohnern und Mitarbeitern. In einem Offenen Brief an die Bundesminister Spahn und Heil hat jetzt der Angehörigenbeirat des Bundesfachverbands Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (cbp) die vorrangige Testung von Menschen mit Behinderungen in Wohneinrichtungen gefordert. Nur durch flächendeckende Tests von Bewohnern und Mitarbeitern könnten die Betretungs- und Kontaktverbote gelockert werden und Familien sich wiedersehen.
Der cbp vertritt mehr als 1.100 Mitgliedseinrichtungen mit rund 94.000 Mitarbeitern und rund 200.000 Menschen mit Behinderung oder mit psychischer Erkrankung.