Ethische Probleme von Pflegerobotern stellte Prof. Dr. Mark Schweda, Leiter der Abteilung Ethik in der Medizin der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, vor. Rechts Ägidius Engel, Geschäftsführer des Diözesan-Ethikrates.(Fotos: cpd / Jonas)
Können Roboter die fehlenden Pflegekräfte ersetzen? Können sie moralische Entscheidungen treffen? Und bleibt das Patientenwohl im Mittelpunkt? Fragen wie diese standen im Mittelpunkt beim Caritas-Diskurs Ethik "Roboter. Pflege. Ethik" des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn in der Katholischen Akademie Schwerte. Die Pflege sei wegen der intensiven zwischenmenschlichen Interaktion ein "hochsensibles" Arbeitsfeld, begründete Thomas Becker, Vorsitzender des Ethikrates im Erzbistum Paderborn, die Wahl des Themas. Da die Pflege in "privateste Bereiche" vordringe, müsse die Grenzziehung zwischen technisch Möglichem und menschlich Gewolltem gut überlegt werden.
Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), schilderte anhand einer TAB-Studie zur Pflegerobotik den Zwiespalt in den Einschätzungen zu den pflegerischen Potenzialen der Robotik. Einerseits gebe es die Hoffnung auf häusliche Unterstützung von Senioren sowie Entlastung von Pflegekräften, andererseits die Befürchtung einer "Entmenschlichung der Pflege", die ja wesentlich auf zwischenmenschlichen Beziehungen beruhe. Grunwald warnte davor, für gesellschaftliche Probleme wie den Pflegenotstand die Technik als Allheilmittel zu sehen. "Den Notstand kann man auch bekämpfen, indem man Geld in die Hand nimmt." Letztlich sei ein öffentlicher Dialog über die Zukunft der Pflege und darüber, welchen Platz Roboter in der Pflege haben sollten, unverzichtbar.
Grunwald rief dazu auf, die mit viel Wucht vorandrängende Digitalisierung nach den europäischen Werten zu gestalten. "Wir können Forderungen stellen an Unternehmen, die hier Geld verdienen wollen. Die Digitalisierung muss sich den Menschen anpassen, nicht umgekehrt." "Gute Pflege" sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der innovative Technik einen unterstützenden Beitrag leisten könne, wenn sie bedarfsbezogen entwickelt und eingesetzt werde. Aber: "Ein Algorithmus kann nichts entscheiden." Wichtig sei, dass man immer "in Alternativen" denke, statt in "vermeintlich optimalen Lösungen".
Pflegerobotik: Diskutierten die Zukunft von Pflegerobotern (v. l.): Ägidius Engel, Geschäftsführer des Diözesan-Ethikrates, Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, Theo Jacobs vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, und Thomas Becker, Vorsitzender des Ethikrates.(Fotos: cpd / Jonas)
Über den aktuellen Entwicklungsstand und Potenziale der Robotik im Gesundheitswesen informierte Dipl.-Ing. Theo Jacobs vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart. "Bisher sehen die Roboter nicht aus wie in Science-Fiction-Filmen", sagte Jacobs. Vielmehr verzichte man zumeist bewusst auf ein menschliches Aussehen von Robotern, "um keine falschen Erwartungen zu wecken". Roboter in der Gesundheitswirtschaft würden bisher vor allem in Amerika und in Asien eingesetzt. In Europa spielten sie bisher kaum eine Rolle, sagte Jacobs. Eingesetzt werden Roboter aktuell und zukünftig vor allem zur Unterstützung des Personals in Pflegeeinrichtungen, etwa als selbst fahrende Warentransport-Systeme in der Logistik, in der Reinigung oder zur Unterstützung von Diagnose und Therapie.
Für ältere und pflegebedürftige Menschen gebe es Kommunikationsroboter zur Unterhaltung, aber auch Hilfen für bewegungseingeschränkte Menschen. Das Fraunhofer-Institut habe einen Assistenzroboter in nunmehr vierter Generation entwickelt. Ziel sei, diesen zunehmend fit zu machen als Hilfe im häuslichen Umfeld, sagte Jacobs. Viele Roboter seien unspektakulär und nicht sofort als solche erkennbar, wie etwa der vom Fraunhofer-Institut entwickelte "intelligente Pflegewagen", der in einem Altenheim oder Krankenhaus selbständig zum Einsatzort fahren und entnommene Materialien dokumentieren kann. Ziel all dieser Entwicklungen könne nicht sein, Pflegetätigkeiten am Menschen komplett zu automatisieren. Vielmehr sollten diese Entlastung bei Routinetätigkeiten von Pflegekräften bringen und im häuslichen Umfeld die Selbstständigkeit steigern, so Theo Jacobs.
Ethische Problemfelder technischer Assistenzsysteme in der Pflege stellte Prof. Dr. Mark Schweda, Leiter der Abteilung Ethik in der Medizin der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, vor. Eine neue Ethik brauche es zwar nicht, doch müsse die zunehmend "raumgreifende Präsenz" neuer Technologien und die dadurch erfolgende "Durchdringung der eigenen Lebenswelt" ethisch gut durchdacht werden. Wichtig sei, dass Persönlichkeitsrechte gewahrt würden, sagte Schweda. Eine Grenzüberschreitung könne etwa schon vorliegen, wenn menschlich wirkende Unterhaltungsroboter bei dementen Menschen den Eindruck erwecken, eine reale Person zu sein. Deshalb müsse sichergestellt werden, dass es eine informierte Zustimmung beim Einsatz von Robotern gebe und die Privatsphäre samt Datenschutz gewahrt werde. Ganz wichtig sei die Betriebssicherheit. Der direkte Kontakt von autonomen Pflegerobotern mit Menschen sei aufgrund von Unfallrisiken bisher nicht gewollt.
Mehr Infos im Video zum Ethik-Diskurs
Der nächste Caritas-Diskurs Ethik findet am Donnerstag, 3. Dezember 2020 in der Kath. Akademie Schwerte statt.