|
Diskutierten die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund sowie von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft (von links): Heribert Krane (Caritas-Referat Integration und Migration), die Ethnologin Sandra de Vries, Prof. Claus Melter (Hochschule Esslingen), Marie-Luise Tigges (Referat Integration und Migration), Christel Fiege, Annette Steffens und Michael Brohl (alle Caritas-Referat Behindertenhilfe). (Foto: cpd) |
Diskriminierung,
kaum überwindlich scheinende Barrieren, Ausschluss von der Gesellschaft: Sowohl
Menschen mit Migrationshintergrund wie auch Menschen mit Behinderung haben mit
ähnlichen Problemen zu kämpfen. Mit diesen gesellschaftlichen Benachteiligungs-
und Ausgrenzungsrisiken haben sich bei einer Tagung in Dortmund Mitarbeitende
und Leitungskräfte der Caritas im Erzbistum Paderborn aus den Bereichen Behindertenhilfe
sowie Integration und Migration auseinandergesetzt.
In
beiden Bereichen ist das Ziel der Arbeit, die
Teilhabe der jeweiligen
Zielgruppe an gesellschaftlichen und sozialen Prozessen zu ermöglichen.
Diskriminierung sei „das Vorenthalten von
Möglichkeiten, auch wenn diese Möglichkeiten vorhanden sind“, sagte Prof. Dr.
Claus Melter von der Hochschule Esslingen. Menschen würden aufgrund von
Zuschreibungen wie „Behinderung“ oder „Migrationshintergrund“ zu „anderen“
gemacht und erhielten dadurch weniger Rechte. Doch: „Menschen sind nicht
behindert, sie werden behindert.“ Mit Blick auf die Menschenrechte müsse die
Gesellschaft barriere- und diskriminierungsfrei werden. Prof. Melter ermutigte
die Teilnehmenden zu überlegen, wie soziale Arbeit in der „behindernden
Migrationsgesellschaft“ gestaltet werden könne. Neben Strukturen bedürften auch
Haltungen und Handlungen einer Überprüfung sowie Änderung von ausgrenzenden
oder benachteiligenden Handlungsmustern.
Mit der Bedeutung von Behinderung in den Regionen und Religionen der
Welt befasste sich die Ethnologin und Trainerin für Interkulturelle Kompetenz,
Sandra de Vries aus Münster. Der Begriff „Behinderung“ sei oft kulturell
geprägt oder durch strukturelle Bedingungen konstruiert. Oft gehe es nicht um den
Einzelnen, sondern um das soziale und kulturelle Umfeld, das eine Behinderung
bewerte. So werde etwa auch das Alter in vielen Gesellschaften als eine Behinderung
gesehen. Im islamischen Bereich werde eine Behinderung oft als eine durch ein
Fehlverhalten begründete Glaubensprüfung Gottes interpretiert. Der Umgang mit
einer Behinderung werde zudem als eine Familienangelegenheit betrachtet. Im
Hinduismus werde eine Behinderung als Prüfung angesehen, deren Umgang damit das
Karma und damit die Wiedergeburt beeinflusse. Mitarbeitende in Diensten und
Einrichtungen der Caritas müssten deshalb bei ihrer Arbeit unterschiedliche kulturelle
Zugänge zu Behinderung oder Migrationshintergrund bedenken und einen
individuellen Zugang zu ihrem jeweiligen Klienten finden.
Gemeinsames Ziel der beiden Bereiche Behindertenhilfe sowie Integration und
Migration sei die gesellschaftliche Teilhabe der betroffenen Menschen, hieß es
in Statements der beiden Caritas-Fachbereiche. Längst gehe es nicht mehr um
Integration, die ein Innen und Außen voraussetze, sondern um Inklusion und gesellschaftliche
Vielfalt. „Diese erfordern, dass ausgrenzende und diskriminierende
gesellschaftliche Verhältnisse überwunden werden“, sagte Marie-Luise Tigges vom
Referat Integration und Migration des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn.
Nicht der Einzelne müsse in bestimmte Strukturen integriert werden, sondern
Strukturen müssten so gewandelt werden, dass eine gleichberechtigte und
selbstbestimmte Teilhabe an den gesellschaftlichen Teilbereichen für alle
möglich wird. „Eine auf der Unterschiedlichkeit von Menschen beruhende
inklusive Gesellschaft schätzt die Vielfalt menschlicher Eigenschaften und
Fähigkeiten als ihren eigentlichen Reichtum“, betonte Michael Brohl vom Referat
Behindertenhilfe des Diözesan-Caritasverbandes. Die Tagung sei ein erster
erfolgreicher Schritt zu einer fachübergreifenden Zusammenarbeit im Hinblick
auf die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund wie
auch Menschen mit Behinderung an allen gesellschaftlichen Prozessen.