Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Sozialverbänden besuchten die inklusive Josefsbrauerei und diskutierten über Inklusion auf dem Arbeitsmarkt (von links): Joachim Gerlach (Caritas-Werkstattrat NRW), Ines Lammert, Christian Stockmann, Norika Creuzmann MdL, Jürgen Kröger (Caritas-Werkstattrat), Miriam Konietzny (Caritas),Claudia Middendorf (NRW-Beauftragte für Menschen mit Behinderung), Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa, Christoph Klausing (IN VIA St. Lioba), Rico Lucius (Josefs Bräu), Sonja Haase (Caritas-Werkstattrat), die Diözesan-Caritasdirektoren Ralf Nolte und Esther van Bebber, Marie-Luise Schulze-Jansen (Caritas), Kirsten Eichenauer-Kaluza (Caritas Dortmund), Heinz-Georg Eirund (Caritas Brilon), Karla Bredenbals (Caritas Wohn- und Werkstätten) und Lutz Gmel (Caritas Soest).(Foto: cpd/Markus Jonas)
Ein Plädoyer für mehr Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem deutschen Arbeitsmarkt hat Ines Lammert vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn in der inklusiv arbeitenden Josefsbrauerei in Bad Lippspringe gehalten. Anlass war ein Besuch von Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa sowie von Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Sozialverbänden in der einzigen inklusiven Brauerei Deutschlands. Hervorgegangen sei diese aus einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, betonte Lammert. Eindringlich wies sie auf die Bedeutung von Werkstätten und Inklusionsunternehmen für einen gerechten Arbeitsmarkt hin. Weil diese Werkstätten in der Politik zunehmend unter Beschuss geraten, vermeintlich weil sie dem Inklusionsgedanken widersprächen, stellte sie fest: "Werkstätten sind kein Sonderweg, sie sind Teil des Arbeitsmarktes. Menschen in Werkstätten sind nicht arbeitslos." Vor dem Hintergrund, dass diese Werkstätten in Frage gestellt werden, hätten Menschen mit Behinderung zunehmend das Gefühl: "Ich darf hier nicht sein."
Doch Werkstätten für Menschen mit Behinderung seien vorrangig ein Ort der Entwicklung und Rehabilitation. Ziel sei zwar die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt. Aber: "Die Wahrheit ist: Ein inklusiver Arbeitsmarkt existiert in Deutschland nicht." Das sei das eigentliche Problem, warum so wenig Menschen den Übergang schaffen. "Barrierefreie Strukturen, Assistenzangebote und Sensibilisierung sind zu selten vorhanden. Es fehlt an politischem Willen, dies grundlegend zu ändern", kritisierte Lammert. Werkstätten und Inklusionsunternehmen wie die Josefsbrauerei würden bereits heute Brücken bauen, etwa durch Außenarbeitsplätze, Praktika oder individuelle Begleitung.
"Teilhabe braucht Türen - und die müssen wir politisch und gesellschaftlich gemeinsam öffnen", erklärte Lammert in ihrer Keynote. Werkstätten für Menschen mit Behinderungen seien keine "Sackgassen". "Nicht jeder Mensch mit Behinderung kann oder will auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln - und auch das ist ein selbstbestimmtes Recht, das wir respektieren müssen", so Lammert.
Ein zentrales Anliegen von Lammert ist eine stärkere Lobbyarbeit für Menschen mit Behinderungen: "Wir brauchen Förderstrukturen auf Bundesebene, verbindliche Übergangsbudgets und klare Anreize für Unternehmen, sich zu öffnen. Inklusion ist kein Sparmodell, Inklusion kostet Geld und ist anstrengend. Aber sie ist eine Investition in die Zukunft und in eine gerechtere Gesellschaft."
In der Diskussion kritisierten die Fachleute aus der Behindertenhilfe die überbordende Bürokratie, die seitens Politik und Verwaltung in allen Bereichen auferlegt würden. Christian Stockmann, Vorstand der Caritas Arnsberg-Sundern, nannte es symptomatisch, dass die für die Behindertenhilfe zuständigen Landschaftsverbände mehr Controller als Hilfeplaner einstellen. Die Landtagsabgeordnete Norika Creuzmann warb dafür, das Thema über Parteigrenzen hinweg anzugehen. Das sei definitiv kein Thema für den Wahlkampf.
Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa lobte abschließend die Arbeit der Josefsbrauerei und betonte, dass inklusive Projekte auch in Zeiten des Fachkräftemangels eine große Chance darstellen. Sie ermutigte die anwesenden gewählten Werkstatträte, selbstbewusst ihre Wünsche an die Bundes- und Landespolitik zu formulieren.