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Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung vor sexuellen Übergriffen schützen – dies ist seit 2008 Ziel eines Projektes des Diözesan-Caritasverbandes. Zum Projekt gehört ein Figurentheater mit der Paderborner Puppenspielerin Nelo Thies (Foto: cpd/Sauer) |
Der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn hat jetzt erste Ergebnisse eines dreijährigen Projektes zum Schutz von Menschen mit geistiger Behinderung vor sexueller Gewalt vorgelegt. Fazit: Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung sind zwar weitaus stärker von sexuellen Übergriffen und Gewalt betroffen als Personen ohne Behinderung – Statistiken sprechen von einem vierfach erhöhten Risiko – doch spezielle Beratungs- oder gar Therapieangebote gibt es für die Opfer nicht. „Damit ignoriert unser Staat wesentliche Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention“, betont Michael Brohl vom Diözesan-Caritasverband. Die Konvention verlange, dass Frauen und Kinder mit geistiger Behinderung in besonderer Weise vor sexuellen Übergriffen zu schützen sind und ihnen Hilfen zur Bewältigung ihrer Erfahrungen angeboten werden. Solche Regelangebote gebe es in Deutschland nicht.
Die Caritas erprobt in ihrem auf drei Jahre befristeten Projekt besondere Hilfs- und Präventionsangebote in den Kreisen Paderborn und Höxter, im Hochsauerlandkreis und in der Stadt Hagen. „Der Bedarf ist enorm“, berichtet Michael Brohl. Allein in Paderborn meldeten sich im Vorjahr 30 Frauen mit geistiger Behinderung nach sexueller Gewalterfahrung beim Sozialdienst katholischer Frauen, wo Projektreferentin Astrid Schäfers eine besondere Beratung anbietet: „Die Frauen erleben sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung.“ Die Täter stammten überwiegend aus der eigenen Familie oder dem Bekanntenkreis.
In vielen Fällen ist eine langfristige Therapie angezeigt, doch nur wenige Therapeuten arbeiteten überhaupt mit geistig behinderten Personen. „Wir haben praktisch kaum für diese Zielgruppe geschulte Berater und Therapeuten“, so Astrid Schäfers. Sie selbst ist inzwischen bundesweit im Einsatz, um Mitarbeiter aus der Behindertenhilfe und aus Frauenberatungsstellen in der Thematik zu schulen. Zum Projekt der Caritas gehört die Ausbildung von Präventionsfachkräften in Werkstätten und Wohnheimen, die Vernetzung mit Polizei oder Ärzten, aber auch die Arbeit mit betroffenen Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen. Hier stehen besondere sexualpädagogische Angebote im Vordergrund, u. a. wurde ein eigenes Figurentheater entwickelt.
Michael Brohl: „Unser Projekt ist angesichts des tatsächlichen Bedarfes nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Im Kreis Paderborn wurde das Beratungsangebot mit den im Rahmen des Projekts gegebenen Möglichkeiten von 0,4 % der in Frage kommenden Zielgruppe in Anspruch genommen. „Immerhin wären ohne diesen Einsatz 30 Personen ohne Hilfe geblieben.“ Im Hochsauerlandkreis sind es - hochgerechnet - 41, im Kreis Höxter 22 und in der Stadt Hagen 43 geistig behinderte Personen, die im Vorjahr auf professionelle Hilfe nach sexueller Gewalt verzichten mussten.
Hinweis:
Der Zwischenbericht zum Projekt „Netzwerk gegen sexuelle Gewalt an Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung“ kann beim Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, Referat Behindertenhilfe, Tel. 05251 209-304, Mail a.schaefers@caritas-paderborn.de angefordert werden.