|
Bischof Stanislaw Szyrokoradiuk (2. von rechts), Präsident des ukrainischen Hilfswerkes „Caritas Spes“, berichtete beim traditionellen Libori-Würstchenessen des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn, von den Hilfen für Flüchtlinge in der Ukraine. Mit dabei (von rechts): Domkapitular Dr. Thomas Witt, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes, der ehemalige Diözesan-Caritasdirektor Volker Odenbach, Dr. Dirk Lenschen, Referent für internationale Kontakte, und sein Vorgänger Gerhard Wieczorek. (Foto: cpd / Jonas) |
„Jeden Tag
sterben Menschen“, sagt der ukrainische Bischof Stanislaw Szyrokoradiuk mit
eindringlicher Stimme. „Aber niemand spricht mehr darüber.“ Während die Kämpfe
im Osten der Ukraine nur noch eine Nebenrolle in den Berichten der Medien
spielen, erinnerte der Präsident des ukrainischen Hilfswerkes „Caritas Spes“ bei
einem Besuch des Diözesan-Caritasverbandes in Paderborn an das Schicksal von
hunderttausenden hilfsbedürftigen ukrainischen Flüchtlingen. Im ostukranischen
Charkiw, dem Sitz seines Bistums Charkiw-Saporischschja, hat Bischof Szyrokoradiuk
mit Hilfe aus Paderborn Anfang des Jahres direkt neben seiner Kathedrale – „nur
vier Meter entfernt“ – ein Flüchtlingszentrum errichten lassen. Rund 100.000
Flüchtlinge leben allein in der 1,5-Millionen-Stadt Charkiw.
Als er im Frühjahr 2014 zum Bischof von Charkiw-Saporischschja ernannt wurde,
zu dem auch die umkämpften Gebiete Donezk und Luhansk gehören, war ihm gleich
klar: „Da müssen wir was tun.“ Trotz bescheidener finanzieller und personeller
Ausstattung des Bistums, in dem nur 0,3 Prozent der Bevölkerung
römisch-katholisch sind, ließ der Bischof das Zentrum innerhalb von zwei Monaten
in einer kostengünstigen Modulbauweise errichten. Erzbistum und
Diözesan-Caritasverband Paderborn förderten das Projekt mit insgesamt 50.000
Euro.
Aktuell werden in dem Flüchtlingszentrum monatlich rund 400 Menschen mit
kostenlosen Lebensmittelpaketen versorgt. Weitere Hilfen bieten eine
Kleiderkammer, ein medizinisches Zentrum, sanitäre Anlagen und Waschmaschinen. Für
traumatisierte Flüchtlinge gibt es psychotherapeutische Hilfe. Bischof Szyrokoradiuk
hat zudem einen Kindergarten eingerichtet, in dem die Kinder von Flüchtlingen
auch abends und am Wochenende betreut werden können. Um diesen Abwechslung vom
tristen Alltag zu geben, hat der Bischof gerade 180 Flüchtlingskinder in ein
Kinderferiendorf der Caritas Spes in den Karpaten im westukrainischen
Jablunitsa geschickt. Schon seit 1996 wird dieses Feriendorf, das für
strahlengeschädigte Kinder errichtet wurde, vom Diözesan-Caritasverband
Paderborn unterstützt.
Nur noch wenige Katholiken leben in den umkämpften Gebieten Donezk und Luhansk,
berichtet Bischof Szyrokoradiuk. Die meisten seien zu Verwandten und Bekannten
in der Ukraine oder nach Polen geflohen. Sieben katholische Gemeinden gibt es noch,
die von Priestern des Bistums Charkiw-Saporischschja weiterhin seelsorglich
betreut werden – nicht ohne Risiko. Im vergangenen Jahr wurden zwei Priester
von Separatisten verhaftet. „Sie sind erst nach zehn Tagen frei gekommen, als
wir ein Lösegeld bezahlt haben“, berichtet Bischof Szyrokoradiuk. Der
Grenzübertritt für die Seelsorger sei nach wie vor riskant.
Hoffnung auf baldigen Frieden hat der Bischof nicht. „Putin wird weitermachen“,
ist er überzeugt. Dass es russische Soldaten sind, die den Konflikt beständig
anheizen, daran hat er keinen Zweifel, auch wenn die russische Führung das
bestreitet. „Das ist kein Geheimnis. Jeder weiß das.“ In der Ukraine hat der
Konflikt nach Ansicht des Bischofs immerhin für Einigkeit in der Bevölkerung
gesorgt, wie die Frage „Ukraine – wohin?“ zu beantworten ist. Auch für die
russischstämmige Bevölkerung sei das jetzt keine Frage mehr. „Wir wollen nach
Europa, in die EU.“