Entzug und Rückfall, das Gefühl, am absoluten Tiefpunkt angekommen zu sein - für Suchtkranke gehören diese Extreme zum Leben. Kann ihnen da Gott helfen? Kann Gott überhaupt gegen Sucht helfen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich ein Workshop des "Arbeitskreis Sucht und Spiritualität" innerhalb der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Sucht in Nordrhein-Westfalen im Dortmunder Sozialinstitut Kommende. Referentin vor haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Suchthilfe war die Theologin Dr. Simone Bell-D'Avis. Sie beschäftigte sich mit der Frage bereits in ihrer Doktorarbeit.
Wie wichtig Glaube in der Arbeit mit Suchtkranken ist, machte Josef Lüttig, Vorsitzender der KLAGS und Diözesan-Caritasdirektor, deutlich. "Seelsorgerische Gespräche sind hilfreich", schrieb Lüttig in seinen Grußworten. Ähnlich sah es auch Dr. Simone Bell-D'Avis. Doch eine Therapie können diese nicht ersetzen. Die Behandlung sei notwendig, um eine Sucht und ihre Geschichte zu verstehen. Denn sie "beginnt nicht mit dem Einnehmen einer Substanz", betonte die Theologin. Und ebenso ende eine solche chronische Erkrankung nicht dann, wenn eine Abstinenz erreicht ist.
"Suchtkranke sind anfällig für ein Denken in Gegensätzen. Sie erleben einen Kampf zwischen Gut und Böse", führte Dr. Bell-D'Avis, die unter anderem mit suchtkranken Menschen in einer Rheinischen Landesklinik gearbeitet hat, weiter aus. Dadurch könne der Eindruck entstehen, etwa durch Askese mit sich und Gott ins Reine zu kommen. "Wer richtig glaubt, der wird gesund - von dieser Ansicht haben wir uns aber bereits verabschiedet", betonte die Theologin.
Dr. Bell-D'Avis vermittelte ein anderes Gottesbild, das auf Überlegungen des Jesuiten Peter Knauer basiert: "Gott ist derjenige, ohne den wir nicht wären." Und Gott ist immer da für die Menschen, seine Liebe werde nicht größer oder kleiner. Das bedeutet im Umkehrschluss: "Gott ist ebenfalls bei Rückfällen da", so die Theologin. Man könne niemals aus Gottes Liebe herausfallen. Wer mit Suchtkranken arbeitet, muss sich aber auch der Grenzen bewusst sein. "Religion ist kein Heilmittel." Dennoch sei alles, was Menschen aus ihrer Isolation herausholt oder ihnen hilft, ohne Drogen zu leben, erstmal in Ordnung.
Nach dem Vortrag von Dr. Simone Bell-D'Avis tauschten sich die Teilnehmer aus. Denn der vor einem Jahr gegründete Arbeitskreis habe auch den Sinn, Kontakte zu knüpfen. "Es geht nicht darum, Einzelkämpfer zu sein, sondern sich zu verbinden. Das hilft mir als Seelsorger enorm", betonte Msgr. Ullrich Auffenberg, katholischer Priester und Mitglied des Arbeitskreises.
Ein wichtiges Ergebnis des Workshops war die Erkenntnis, dass "es nicht möglich ist, jemandem die Religion überzustülpen". Aber anbieten könne man sie schon. Denn sie sei eine Möglichkeit, die Leere zu füllen, die beispielsweise Drogen oder Alkohol in der Abstinenz hinterlassen. Dabei sollten Mitarbeiter in der Suchthilfe aber tolerieren, dass "es bei Klienten verschiedene religiöse Werdegänge und Überzeugungen gibt", so Auffenberg