Die Caritasverbände Paderborn und Unna richteten 1971 die ersten Sozialstationen im Bereich des Erzbistums Paderborn ein. Heute gibt es bistumsweit 109 Caritas-Sozialstationen(Fotos: cpd / CV Paderborn, CV Unna)
"Unsere Gemeindeschwester verlässt uns, wir brauchen dringend Ersatz!" Hilferufe wie diese waren vor 50 Jahren keine Seltenheit beim Diözesan-Caritasverband in Paderborn. Was war geschehen? Ob Altenheim, Kindergarten oder häusliche Krankenpflege: Ordensgemeinschaften prägten die caritativen Angebote der Kirchengemeinden. Ende der 60er Jahre wandelte sich das Bild, die Zahl der Ordensleute schrumpfte, Gemeindekrankenschwestern standen immer weniger zur Verfügung. "Es war abzusehen, dass dieses System nicht mehr funktioniert", erinnert sich Helga Morgenstern, ehemalige Abteilungsleiterin beim Diözesan-Caritasverband, die die Entwicklung der Caritas-Sozialstationen im Erzbistum Paderborn mitgeprägt hat.
Helga Morgenstern war zwischenzeitlich von 1967 bis 1973 beim Diözesan-Caritasverband in Mainz tätig. Genau in diese Zeit fiel im Oktober 1970 die Gründung der bundesweit ersten Sozialstation auf Initiative des damaligen rheinland-pfälzischen Sozialministers Heiner Geißler und der Caritas im Bistum Mainz. Die Sozialstation in der Stadt Worms stieß in der Fachwelt auf breites Interesse. Schon kurz nach der Gründung reiste eine Delegation aus Paderborn an, um sich vor Ort zu informieren: Prälat Joseph Becker, damals Diözesan-Caritasdirektor, und die Geschäftsführerin des örtlichen Caritasverbandes Paderborn, Magdalene Meyer.
Im März 1971 erfolgte dann die Gründung einer ersten "Zentralstation" in Paderborn, der Caritasverband für den Kreis Unna folgte im November. Ermöglicht wurden diese Gründungen auch dank der Neuordnung der Gemeinde-Krankenpflege in Nordrhein-Westfalen, durch die kommunale Mittel fließen konnten. Auch das Erzbistum Paderborn beteiligte sich mit Zuschüssen zu den Personalkosten. Dabei war das neue Angebot zunächst innerkirchlich umstritten. Manche Kirchengemeinden fürchteten um die Belegung ihrer Altenheime. Der damalige, inzwischen verstorbene Generalvikar Bruno Kresing setzte sich schließlich durch, erinnert sich Helga Morgenstern. "Für ihn waren Sozialstationen die Antwort auf den sich abzeichnenden demografischen Wandel."
Die frühen Sozialstationen der Caritas waren eng mit den Kirchengemeinden verbunden. Die zwei bis drei Pflegekräfte pro Station arbeiteten mit einem Netz von Ehrenamtlichen zusammen. Eine sich durchtragende Aufgabe waren die Kurse in häuslicher Krankenpflege, die bereits seit 1958 zum Angebot der ehrenamtlichen Caritas im Erzbistum gehörten. In Dortmund, wo 1977 die erste Sozialstation gegründet wurde, etablierte der dortige Caritasverband Beiräte aus Vertretern der Kirchengemeinden.
Der Systemwechsel für die Sozialstationen kam mit der Pflegeversicherung Mitte der 90er Jahre. Ambulante Pflege war plötzlich marktfähig geworden, privat-gewerbliche Anbieter traten auf den Plan. Die Rahmenbedingungen veränderten sich für die inzwischen bistumsweit über 70 Caritas-Sozialstationen dramatisch. Pflegekräfte, die gelernt hatten, "ganzheitlich" Pflegebedürftige zu versorgen, also nicht nur die körperliche Situation isoliert zu sehen, wurden in ein vorgegebenes Modulsystem gezwungen, nach dem nur noch körperliche Verrichtungen nach einem festen Leistungskatalog finanziert wurden. Bis heute ist die "Minutenpflege" eine Hypothek dieser neuen Finanzierungsform. Hinzu kam eine zeitraubende Bürokratie mit umfassenden Dokumentationspflichten.
Die Befürchtung, dass Caritas-Sozialstationen angesichts kommerzieller Konkurrenz vom Markt verdrängt werden könnten, bewahrheitete sich nicht. Neue Angebote wurden entwickelt, und auch die Kirche trat wieder als Unterstützerin in Erscheinung, wenn etwa Zeitbudgets für die seelsorgliche Begleitung Pflegebedürftiger durch das Erzbistum Paderborn finanziert werden. Inzwischen ist die Zahl der Caritas-Sozialstationen bistumsweit auf 109 gestiegen. "Die Dienste sind ein unersetzlicher Baustein innerhalb der Versorgungskette", betont Christoph Menz, der heute beim Diözesan-Caritasverband u.a. den Bereich Sozialstationen verantwortet. Immerhin werden drei Viertel aller Pflegedürftigen zu Hause versorgt, Tendenz steigend.