Diskutierten die Situation von suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen (von links) Dorothea Rahmann (Chefärztin Elisabeth-Klinik Kinder- und Jugendpsychiatrie), Paul Krane-Naumann (Diözesan-Caritasverband Paderborn), Kathy ([U25]-Peerberaterin Dortmund), Johannes Ketteler (Leiter Krisenzentrum Dortmund), Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig (Paderborn), Jakob Henschel ([U25] Deutschland), Simone Segin (Diözesan-Caritasverband Paderborn), und Janik ([U25]-Peerberater Dortmund).cpd / Markus Jonas
Rund 200 Ehrenamtliche an zehn Standorten in Deutschland stehen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ernsthaft darüber nachdenken, sich aus Verzweiflung das Leben zu nehmen, als Ansprechpartner zur Verfügung. "Ich habe sehr viel Respekt vor diesem Engagement", sagte Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig bei einem Caritas-Fachtag "Suizidprävention im Kindes- und Jugendalter" im Sozialinstitut Kommende in Dortmund. "Die jungen Leute sind bereit, sich konfrontieren zu lassen mit Perspektivlosigkeit", betonte Lüttig, der die Gründung der zwei U25-Standorte im Erzbistum Paderborn beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Dortmund und beim Caritasverband Paderborn anstieß. Suizid sei die zweithäufigste Todesursache unter Jugendlichen, sei aber immer noch ein Tabuthema, über das viele Vorurteile kursieren.
"Wir sind Wegbegleiter in schwierigen Zeiten, aber keine Psychologen", schilderte Kathy von der [U25]-Beratung in Dortmund. "Wir gucken bei den Anfragen, wer zu wem passt, je nach Thema oder Alter." Zum Schutz der Ratsuchenden und der gleichaltrigen Berater, der sogenannten Peers, bleibt die Beratung anonym. "Wir haben ein offenes Ohr, therapieren aber nicht", erklärt Peer-Begleiterin Christine aus Dortmund. Viele der Ratsuchenden seien schon in Therapie, suchten aber den Austausch mit Gleichaltrigen. Junge Erwachsene, die sich in der Online-Suizidprävention engagieren wollen, werden in einem 32 Stunden dauernden Kurs intensiv auf diese Aufgabe vorbereitet, berichtet Jakob Henschel, [U25]-Projektleiter beim Deutschen Caritasverband. Die jungen Ehrenamtlichen würden intensiv begleitet. Alle 14 Tage tauschen sie sich in einer verpflichtenden Teambesprechung über ihre Erfahrungen aus.
[U25] sei als Angebot "dringend nötig", sagte Johannes Ketteler, Leiter des Krisenzentrums Dortmund. Auch weil Kinder und Jugendliche in der Schule und in ihrem Umfeld häufig keinen Ansprechpartner finden. Er rief dazu auf, jeden Hilfesuchenden ernst zu nehmen. "Wenn jemand sagt, er ist in einer Krise, ist er es." Krisenhilfe müsse aber helfen, "Leid zu gestalten, nicht zu unterdrücken". Schließlich liege auch im Leiden eine Chance für Wachstum. "Ruhige See hat noch nie einen guten Seemann hervorgebracht." Wichtig sei eine verlässliche Begleitung in der Krise.
Eine große Rolle bei Jugendlichen, die notfallmäßig in die Psychiatrie kämen, spiele Mobbing, sagte Dorothea Rahmann, Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LWL-Elisabeth-Klinik Dortmund. Großen Einfluss auf suizidales Verhalten haben zudem sexueller Missbrauch sowie schwere physische und psychische Misshandlungen, aber auch familiäre Konflikte, die Trennung der Eltern oder Liebeskummer. Unter den Hilfesuchenden in suizidalen Krisen seien wegen ihrer traumatischen Erlebnisse auch viele Flüchtlinge. Wenn Jugendliche bereits einen Suizidversuch unternommen haben, dürfe man auf keinen Fall mit Vorwürfen oder vorschnellen Lösungsvorschlägen reagieren, warnt Rahmann. Als erste Hilfe seien stützende Gespräche in einem stabilen Rahmen nötig. Dafür werde in ihrer Klinik ein ständiger Bezugstherapeut eingesetzt, der versuche, eine Perspektive für das Leben zu vermitteln.