Schwere Vorwürfe gegen die nordrhein-westfälische Landesregierung erhebt die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände im Kreis Gütersloh. Während überall im Kreisgebiet wieder Kontaktbeschränkungen gelten würden und sich mehr als 7000 Menschen in Quarantäne befänden, seien die Alten- und Pflegeheime im Gegenteil dazu angehalten, Lockerungen umzusetzen. "Das ist nicht nur paradox, sondern unverantwortlich und gefährdet Menschenleben", heißt es in einem offenen Brief der Arbeitsgemeinschaft.
Für Mitunterzeichner Matthias Timmermann, Vorstand beim Caritasverband für den Kreis Gütersloh, ist das völlig unverständlich. "Wir können es nicht verstehen, dass Menschen aus dem Kreis Gütersloh nur unter strengsten Auflagen ihren Urlaub antreten können und an anderer Stelle getan wird, als sei nichts geschehen." Betroffen sei auch das Caritas-Haus St. Anna, das Luftlinie nur knapp zwei Kilometer von Verl-Sürenheide entfernt liegt, wo ganze Straßenzüge abgeriegelt wurden.
In den vergangenen Tagen sei die Pflege mit keinem Wort von der Landespolitik bedacht worden, beklagen die Verbände. Am späten Mittwochabend habe man die Nachricht erhalten, dass die für ganz NRW ab 1. Juli verfügten Lockerungen in Pflegeheimen auch im Kreis Gütersloh umzusetzen seien. Das Landesgesundheitsministerium vertrete die Auffassung, dass mit Blick auf die Allgemeinverfügung "derzeit keine Abweichungen für das Gebiet des Kreises Gütersloh erforderlich sind". Demnach dürfen Bewohner wieder Besuch auf ihrem Zimmer empfangen, körperlichen Kontakt haben und auch Restaurants und Cafés besuchen.
"Eine dieser besonders vulnerablen Gruppen wird bei den Vorsichtsmaßnahmen komplett außen vor gelassen", kritisieren die Wohlfahrtsverbände und warnen vor den hohen Risiken: "Die Einhaltung der Hygienekonzepte durch alle Beteiligten liegt nicht mehr in unserer Hand." Sehr leicht könne durch eine Unachtsamkeit das Virus in eine Pflegeeinrichtung gelangen. "Und was passiert, wenn das Virus in eine Pflegeeinrichtung eingeschleppt wird, hat man im April sehr eindrücklich gesehen - rund ein Drittel der bis dato 4600 Corona-Toten lebte in Pflegeheimen und anderen Betreuungseinrichtungen."