Gestandene Männer, die hemmungslos weinen, Jugendliche, die in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung in sich zusammensacken. Es sind menschliche Dramen, die sich zurzeit in den Flüchtlingsberatungsstellen abspielen. Und zwar immer dann, wenn Betroffene realisieren, dass sie ihre Familie lange Zeit nicht mehr wiedersehen werden - unter Umständen für mehrere Jahre. "Das sickert so langsam durch", berichtet Ewa Sczesny vom Caritasverband für den Kreis Höxter. In den Integrationskursen, die sie anbietet, dreht sich zurzeit alles nur um dieses eine Thema. "Man klammert sich an jeden Strohhalm, hofft darauf, dass die Caritas helfen kann." Weil es keine Perspektive gibt, ist die Stimmung unter den 20 bis 30 Personen in der Gruppe gereizt. "In den Einzelgesprächen schlägt dies dann in Verzweiflung um." Mehr als verdoppelt hat sich nach Einschätzung des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn die Zahl der Flüchtlinge, die in den Beratungsstellen den Wunsch äußern, wieder zurückkehren zu wollen, um ihre Angehörigen nicht allein zu lassen.
Ein Auslöser dieser Entwicklung ist das Asylpaket II vom Februar 2016. Demnach sind Personen, die nach dem 17. März lediglich subsidiären Schutz erhalten haben, bis zum 16. März 2018 vom Familiennachzug ausgeschlossen. Der subsidiäre Schutz gibt keinen Flüchtlingsschutz und keine Asylberechtigung, sondern ist eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr für Menschen, denen in ihrem Heimatland ernsthafter Schaden etwa durch Krieg droht. Bis August 2016 haben 30 Prozent aller Flüchtlinge aus Syrien nur diese einfache Form des Schutzes in Deutschland erhalten, während fast alle Syrer, die 2015 kamen als Asylberechtige oder Flüchtlinge anerkannt wurden. Doch selbst bei dieser Gruppe gelingt der Familiennachzug kaum. Probleme bereiten die Pass- und Dokumentenbeschaffung, vor allem aber eine restriktive Bürokratie mit langen Wartezeiten bei der Terminvergabe und Visaerteilung.
Für die Caritas sind die politisch gewollten Restriktionen beim Familiennachzug kontraproduktiv. "Die Familie ist ein wichtiger Garant für eine gelingende Integration", so Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. Abgesehen davon stünden Ehe und Familie laut Grundgesetz unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung. "Derzeit wird eine beträchtliche Gruppe von diesem Schutz ausgeschlossen." Aus Sicht der Caritas wird nichts gewonnen, wenn Betroffene mindestens bis März 2018 in der Unsicherheit und in der Angst um ihre Familienangehörigen warten müssen, bevor sie einen Antrag stellen können bis zu dessen Bewilligung dann doch oft noch sehr viel Zeit vergeht. Die Erwartung, dass diese Menschen vielleicht vorher wieder unser Land verlassen könnten, sei unrealistisch. "Der Syrienkrieg und dessen Folgen werden noch über viele Jahre hinweg eine Rückkehr dieser Menschen in ihre Heimat unmöglich machen."