Eine zentrale Veranstaltung zur Aktionswoche der Schuldnerberatung fand beim KSD in Hamm statt. Die schwierige Situation von Ratsuchenden diskutierten (von links) Christoph Eikenbusch (Diözesan-Caritasverband Paderborn), Berater Christian Clauss (KSD Hamm), Birgit Pachur (Diözesan-Caritasverband), KSD-Geschäftsführer Andreas Thiemann und Maria-Elisabeth Lang, Fachbereichsleitung und stellvertretende Geschäftsführerin beim KSD. Mit im Bild ein neu entwickelter Aufsteller, der in den Schuldnerberatungsstellen im Erzbistum Paderborn für das Thema sensibilisieren und Ausgrenzung entgegenwirken soll.(Foto: cpd / Peter Körtling)
Überschuldung schränkt die Lebensgrundlage vieler Menschen massiv ein. "Für die Betroffenen und deren Familien ist das oftmals eine menschliche Katastrophe", sagt Birgit Pachur, Referentin für Schuldnerberatung beim Diözesan-Caritasverband Paderborn. Anlass ist die bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung, die vom 7. bis 11. Juni unter dem Motto "Der Mensch hinter den Schulden" stattfindet. "Wir sehen nicht nur Zahlen, sondern die Person und sein Umfeld", sagte Pachur bei einer zentralen Veranstaltung beim Katholischen Sozialdienst (KSD) in Hamm.
Überschuldung sei nicht nur ein Phänomen einzelner Zielgruppen, sondern treffe ein breites Spektrum der Gesellschaft, erklärte Christoph Eikenbusch, Abteilungsleiter "Armut - Teilhabe" beim Diözesan-Caritasverband. "Insbesondere durch die Corona-Pandemie sind nun auch Personen betroffen, für die Überschuldung bisher nie ein Thema war." Durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und Einnahmeneinbruch bei Solo-Selbstständigen seien viele in eine finanzielle Schieflage geraten.
Für viele Menschen stellten sich aktuell große Probleme, sagte KSD-Geschäftsführer Andreas Thiemann. Einerseits hätten viele Betroffene weniger Lohn, die Auszahlung von Kurzarbeitergeld verzögere sich, 450-Euro-Jobs fielen weg, ebenso Zeitzuschläge und Trinkgelder. "Andererseits haben viele Menschen mehr Ausgaben durch die Beschaffung von digitalen Medien für die Kinder, existenzunterstützende Dienste wie die Tafeln hatten nur sehr begrenzt geöffnet, dazu kommt etwa noch ein höherer Stromverbrauch", erklärt Thiemann. Das alles kombiniert mit dem ständigen Zusammenleben, Homeoffice, Homeschooling und beengten Wohnverhältnissen erhöhe das Konfliktpotential enorm.
Diese Faktoren belasten insbesondere Familien. "Mahnungen, Schreiben von Inkassounternehmen, gerichtliche Schreiben sind ihnen bisher fremd und schüren Ängste", erklärt KSD-Fachbereichsleiterin Maria-Elisabeth Lang. Betroffene seien deshalb auf kompetente Unterstützung und Begleitung angewiesen. Hinzu kommt, dass Ansprechpartner nicht leicht zu erreichen waren - bei JobCenter, Agentur für Arbeit, aber auch bei Gläubigern - um Anträge stellen zu können oder Verhandlungen zu führen. Betroffene seien deshalb auf kompetente Unterstützung und Begleitung angewiesen. "Es zeichnet sich jetzt schon deutlich ab, dass der Beratungsbedarf in den nächsten Monaten stark steigen wird." Immerhin: "Wir sind froh, dass wir trotz der coronabedingten Einschränkungen in den vergangenen Monaten sehr viele Ratsuchende erreicht haben", sagt Christian Clauss, Schuldnerberater beim KSD Hamm. Schuldnerberatung unterstütze Menschen konkret bei der Bewältigung von Alltagshemmnissen.
Deshalb fordert der Diözesan-Caritasverband Paderborn einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf kostenlose soziale Schuldnerberatung. Die Kommunen müssten die Schuldnerberatung bedarfsgerecht ausbauen und deren Finanzierung sichern. "Die Kommune Hamm darf hier als Best-Practice genannt werden, weil grundsätzlich allen Bürgern der Weg zur Schuldnerberatung offensteht", sagt Eikenbusch. In anderen Kommunen werde der Zugang stark reglementiert. Oftmals dürften nur Sozialleistungsbezieher die Beratung in Anspruch nehmen. "Es ist nicht nachzuvollziehen, dass Menschen erst in den Sozialleistungsbezug müssen, bevor ihnen Beratung angeboten wird. Dabei weiß man seit Jahren, dass jeder Überschuldete, der von Beratung ausgeschlossen ist, letztendlich droht, eine zusätzliche Belastung für die Kommunen bei der Sozialhilfe zu werden", warnt Eikenbusch.