Es war eine denkwürdige Demonstration in Düsseldorf: 32.000 Menschen aus sozialen Einrichtungen in NRW demonstrierten in den Rheinwiesen, 500 Meter vom Landtag entfernt, gegen die Sparpläne der Landesregierung im Sozialen. Es war die wohl größte dieser Art in der Landesgeschichte: Menschen, die im Sozialbereich arbeiten, tendieren normalerweise nicht zu lautstarkem Protest.
Mehrere Tausend waren auch aus dem Erzbistum Paderborn angereist, allein 1000 Mitarbeitende von katholischen Kindertageseinrichtungen. Viele weitere konnten nicht dabei sein: Sie mussten den Betrieb ihrer Einrichtungen und Dienste aufrechterhalten.
Wie groß der Zorn über die geplanten massiven Einschnitte ist, konnten die NRW-Minister Karl-Josef Laumann (CDU) und Josefine Paul (Grüne) hautnah erfahren. Auf der Bühne stellten sie sich kritischen Fragen. Als die Minister zwar Verständnis für die Demonstranten äußerten, aber die Einschnitte verteidigten, ertönte ein gellendes Pfeifkonzert. Besonders in den Ohren von Gesundheitsminister Laumann müssen die Pfiffe lange nachgeklungen haben, hatte er doch immer einen guten Draht zur Freien Wohlfahrtspflege und ihren sozialen Einrichtungen. Familienministerin Paul musste sich gar Rufe nach "Rücktritt" anhören.
Insgesamt sollen im Landeshaushalt fast 83 Millionen Euro im sozialen Bereich eingespart werden. Es sind drastische Einschnitte, die insbesondere die soziale Beratungs- und Unterstützungsstruktur sowie die Bereiche Pflege, Migration, Flucht und Integration, Familienhilfe, Behindertenhilfe und Armutsbekämpfung betreffen. "Noch nie zuvor gab es so massive Kürzungen im sozialen Bereich", erklärt Diözesan-Caritasdirektorin Esther van Bebber. "Die geplanten Einsparungen gefährden wichtige soziale Dienstleistungen und treffen vulnerable Gruppen besonders hart, die auf die Unterstützung der Wohlfahrtsverbände angewiesen sind."
Angesichts eines Landeshaushalts von rund 105 Milliarden Euro - also 105.000 Millionen Euro - könne das Land die im Sozialen eingesparten Gelder fast aus der Portokasse stemmen, meinen politische Kommentatoren. Die aus Landessicht relativ geringen Summen haben aber weitreichende Auswirkungen auf soziale Angebote, von denen viele massiv eingeschränkt oder gar eingestellt werden müssen, wie bei der Demonstration kritisiert wurde.
Geäußert wird die Kritik auch von den Vorständen der örtlichen Caritasverbände im Erzbistum Paderborn, von denen viele mit ihren Mitarbeitenden an der Demonstration teilnahmen. Man erlebe sogar mehr Bedarf, sagt Ulrich Paus, Vorstand der Caritasverbände Bielefeld und Herford. Die Streichung sei deshalb "total kontraproduktiv". "Besonders benachteiligte Gruppen werden unter den Kürzungen leiden", erklärt Tobias Berghoff von der Caritas Dortmund. Brilons Heinz-Georg Eirund betonte, gerade in unsicheren Zeiten brauche es Verlässlichkeit und Qualität. "Nährboden für antidemokratische Kräfte" sieht denn auch Andreas Waning, Caritasvorstand in Witten, in den geplanten Kürzungen. Stabile soziale Sicherungssysteme seien wichtig für den Erhalt der Demokratie, meint auch Paderborns Patrick Wilk.
Den geballten Unmut von Caritas, Diakonie und Co. dürfte die Landesregierung unterschätzt haben. Zuviel Frust über stetig schlechtere Arbeitsbedingungen hat sich angesammelt. Wenn die schwarz-grüne Regierung gut beraten ist, nimmt sie viele oder besser noch alle geplanten Kürzungen zurück, meinen landespolitische Beobachter.