Das Seelsorgeteam im Altenheim Pauline von Mallinckrodt in Paderborn (von links): Hubert Segin, Sabine Ernst, Schwester Alfreda, Birgit Merle sowie Maria und Wolfgang Kalischek. Nicht abgebildet sind die Team-Mitglieder Christa Simon, Monika Lipsewers, Heinz Kevenhörster, Dietmar Westemeyer sowie Schwester Irmgard von den Schwestern der christlichen Liebe. (Foto: Markus Jonas)
Im Gespräch berichten Sabine Ernst (59) sowie Hubert Segin (71) und Schwester Alfreda (87) von ihrem Engagement.
Wie hat sich die Seelsorge hier im Haus entwickelt?
Schwester Alfreda: Als das Heim 2007 neben unserem Mutterhaus der Schwestern der Christlichen Liebe gebaut wurde, waren wir noch acht oder zehn Schwestern, die darin arbeiteten. Als die meisten vom Alter her nicht mehr hier arbeiten konnten, habe ich einen Seelsorge- und Kommunionhelferkurs gemacht und mich hier eingebracht. Mir ist wichtig, dass alles im Sinne von Mutter Pauline von Mallinckrodt weitergeht, die unseren Orden gegründet hat. Sie hat gebetet: "Gib mir ein Herz voll Liebe und hilf, dass ich diese Liebe in meinem ganzen Tun und Lassen auspräge."
Sabine Ernst hilft als Seelsorgliche Begleiterin auch bei der Vorbereitung des wöchentlichen Gottesdienstes in der Kapelle des Altenheims. (Foto: Markus Jonas)
Wie sieht Ihr Alltag als Seelsorgeteam aus?
Schwester Alfreda: Ich bin fast jeden Morgen hier im Haus. Wir begleiten Sterbende, bereiten Andachten vor, feiern Gottesdienste und sprechen mit Angehörigen. Besonders wichtig ist mir, dass die Bewohner eingebunden werden - etwa beim Kräuterbinden zu Mariä Himmelfahrt oder beim Schmücken des Altars zu Erntedank. Sie sollen merken: Wir brauchen euch.
Sabine Ernst: Ich bin Betreuungsassistentin, habe aber eine Fortbildung zur Seelsorglichen Begleiterin beim Diözesan-Caritasverband gemacht. Ich führe viele Einzelgespräche, begleite Menschen am Bett, organisiere kreative Angebote und Spaziergänge. Und natürlich helfe ich auch bei Gottesdiensten. Für viele Bewohner ist das sehr wichtig.
Hubert Segin: Ich meinem Arbeitsleben war ich Informatiker. Im Ruhestand habe ich mich zunächst einige Jahre in der Flüchtlingshilfe engagiert. Über private Kontakte und Besuche im Altenheim bin ich hierhergekommen und engagiere mich seit Jahren im Altenheim. Erst habe ich technische Dinge übernommen, dann mehr Seelsorge. Heute übernehme ich beispielsweise das Morgenlob, Gebete, Taizé-Andachten, Wort-Gottes-Feiern oder bin auch als Kommunionhelfer tätig. Ich besuche Senioren, spende persönliche Zeit und begleite auch Sterbende. Auch mit meiner Drehorgel oder als Digitalpate bringe ich mich in Altenheimen und in der Quartiersarbeit ein. Es geht mir immer um den einzelnen Menschen, und das ausschließlich ehrenamtlich, und dies macht glücklich.
Welche Rolle spielt Hoffnung in Ihrer täglichen Arbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern?
Hubert Segin: Viele hoffen auf einen friedlichen Tod. Manche in hohem Alter fragen: "Hat der liebe Gott mich vergessen?" Dann versuche ich zu ermutigen: "Nein, er hat niemand vergessen." Hoffnung entsteht durch Nähe und Zuwendung. Das geht nicht allein durch Pflegekräfte - das funktioniert nur im Zusammenspiel von Pflege und Seelsorge.
Sabine Ernst: Manchmal reicht es, einfach da zu sein. Die Hand zu halten. Gerade Menschen, die einsam sind, merken dann: Ich bin nicht vergessen. Der Glaube trägt viele bis zuletzt.
Schwester Alfreda: Ich habe oft das Gefühl, dass Menschen durch Zuhören Hoffnung schöpfen. Wenn jemand den Tod eines Kindes oder eines Ehepartners verkraften muss, dann kann ich nichts erklären - ich kann nur da sein. Aber die Betroffenen sagen: "Das hat mir gutgetan."
Können Sie Beispiele erzählen, wie Bewohner neue Hoffnung gefunden haben?
Die geistlichen Angebote werden von den Bewohnern des Altenheims Pauline von Mallinckrodt gern wahrgenommen. (Foto: Markus Jonas)
Sabine Ernst: Eins meiner ersten seelsorgerischen Gespräche war mit einer Frau, deren Sohn überfahren worden war, mit zwölf Jahren. Sie nahm meine Hand, als sie das erzählte. Ich habe sie gefragt: "Wollen wir beten?" Da sagt sie: "Oh, das wäre schön." Und wir haben dann das Vaterunser gebetet. Sie war so dankbar. Das war für mich auch eine Bestätigung, wie wichtig das ist, dass man einfach da ist und zuhört. Ich habe das Gefühl gehabt, sie schöpft Hoffnung, dass sie das noch mal loswerden konnte.
Hubert Segin: Ich habe meine Grundschullehrerin hier wiedergetroffen, die war 96. Eigentlich unglaublich. Und dann habe ich angefangen, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Das hat sie so froh gemacht. Sie hat dann gesagt: "Das ist jetzt mein Lebenswerk, dass das aufgeschrieben ist." Auch die Familie war dankbar. Ich habe das Gefühl gehabt: Das war für sie eine ganz große Hoffnung, dass das nicht verloren geht, dass ihr Leben noch mal aufgeschrieben wird.
Schwester Alfreda: Eine Frau hat mir erzählt, dass ihr Sohn tödlich verunglückt ist. Und dann später die Schwiegertochter auch noch gestorben ist. Was kann man da sagen? Aber sie war so dankbar, dass ich einfach da war und zugehört habe. Sie hat gesagt: "Das hat mir so gutgetan." Das hat mich sehr bewegt.
Welche Rolle spielt der Glaube für die Menschen hier?
Schwester Alfreda: Unsere Gottesdienste und Andachten sind voll. Selbst Menschen mit Demenz können Lieder und Gebete mitsingen. Der Glaube bleibt tief verankert.
Sabine Ernst: Auch bei Menschen, die heute weniger mit Kirche zu tun haben, spüre ich: Sie sehnen sich nach Sinn, nach Trost. Viele spüren: Der Glaube gibt Halt.
Sie arbeiten auch mit einer Kita zusammen. Was bedeutet das für die Bewohner?
Hubert Segin: Die Kinder bringen Leben ins Haus. Sie tanzen, schmücken den Altar, singen Lieder. Und die Bewohnerinnen blühen dabei auf. Die Kleinen sind ganz unbefangen, gehen direkt auf die alten Menschen zu. Früher kamen auch Schulklassen und haben Feiern vorbereitet. Solche Begegnungen sind wertvoll - für beide Seiten.
Sterbebegleitung gehört zu Ihrer Arbeit. Wie erleben Sie das?
Hubert Segin: Sehr intensiv. Menschen fragen manchmal: "Warum darf ich nicht sterben?" Dann sage ich: "Ihr Platz ist noch nicht frei - wir freuen uns, dass Sie noch bei uns sind." Ich habe schon viele begleitet, die in Frieden gegangen sind. Und auch für mich selbst ist das wichtig - ich hatte auch meinen Frieden dadurch. Das ist auch für mich sehr berührend, mit jemandem so einen Weg zu gehen. In den sieben, acht Jahren, wo ich jetzt hier bin, hat aber noch nie jemand nach assistiertem Suizid gerufen.
Sabine Ernst: Am Sterbebett zu sitzen, die Hand zu halten, ein Gebet zu sprechen - das ist vielleicht das Wichtigste, was wir tun können. Niemand soll allein sterben müssen.
Schwester Alfreda: Wenn ich bei Sterbenden bin, bete ich leise. Manchmal frage ich: "Möchten Sie, dass ich ein Lied singe?" Und dann sieht man, wie die Menschen ruhig werden.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?
Schwester Alfreda: Viele neue Mitarbeiter wissen gar nicht mehr, was z. B. die Kommunion bedeutet. Sie haben keinen Bezug mehr dazu. Da wünsche ich mir mehr Aufklärung.
Hubert Segin: Der Pflegenotstand ist ein riesiges Problem. Dazu kommt: Weniger Menschen sind im Glauben verankert, auch bei den Mitarbeitern. Da müssen wir neue Wege finden.
Sabine Ernst: Ich glaube, es ist wichtig, dass wir im Team so zusammenarbeiten, dass wir Zeit schenken können, dass wir präsent sind. Wir können die Welt nicht retten. Aber wir können den einzelnen Menschen Hoffnung schenken.
Und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Hubert Segin: Mehrgenerationenprojekte. Menschen brauchen Menschen. Wenn Alt und Jung zusammenkommen, entsteht Hoffnung.
Schwester Alfreda: Die Kirche wird kleiner, aber sie geht nicht unter. Wir müssen neue Wege finden, wie wir die Menschen erreichen. Und wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren.
Sabine Ernst: Für mich ist das Wichtigste: Gemeinschaft leben. Den Glauben weitertragen. Hoffnung schenken. Und das im Kleinen, jeden Tag.
Vielen Dank für das Gespräch!
(Interview: Markus Jonas)