Mitwirkende des Anwenderforums und die Geschäftsführungen der sieben caritativen Fachverbände im Erzbistum Paderborn gemeinsam mit Paderborns Bürgermeister Michael Dreier vor dem Heinz Nixdorf Museums Forum. Foto: Malteser / Frank Kaiser
Vereinsamung gilt zu Unrecht als privates Schicksal. Der schrittweise Verlust wichtiger sozialer Bindungen ist auch ein gesellschaftliches Risiko. Betroffene - gleichgültig ob alt oder jung - können dem oft mit eigenen Mitteln nicht entkommen. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche auf Einsamkeit? Fördert sie diese oder hilft sie, Einsamkeit zu überwinden? Antworten suchte jetzt das Anwenderforum "Einsamkeit 4.0" im Paderborner Heinz Nixdorf Museums Forum. Die Veranstaltung wurde von den caritativen Fachverbänden im Erzbistum Paderborn organisiert. Caritas-Konferenzen, IN VIA, Kreuzbund, Malteser Hilfsdienst, Sozialdienst katholischer Frauen bzw. Männer sowie Vinzenz-Konferenzen geben gemeinsam unter dem Motto "7 gegen Einsamkeit" immer wieder besondere Impulse zu dieser Problematik. Aktiv unterstützt wurde die Veranstaltung auch von der Stadt Paderborn, die Leitkommune in der digitalen Modellregion Ostwestfalen-Lippe ist.
Schaut man auf die Statistik, ergibt sich beim Thema Digitalisierung und Einsamkeit zunächst ein paradoxer Befund: 97 Prozent der jungen Menschen und auch ein Großteil der Menschen der Generation "60 plus" sind mehrere Stunden am Tag online, immer mehr Menschen nutzen soziale Medien für die Kommunikation. "Gleichzeitig fühlen sich elf Prozent der Menschen einsam, sogar jeder dritte Mensch fürchtet sich davor, einsam zu werden", zitierte Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig Ergebnisse aktueller Studien. Soziale Medien, so eine wichtige Erkenntnis, können Einsamkeit verstärken, wenn sie die "Offlinekommunikation" ersetzen und diese nicht nur ergänzen.
Chancen und Probleme der Mediennutzung bei Jugendlichen thematisierte Patrick Portmann, Leiter der Einrichtung ‚Auxilium reloaded‘, einem Haus für Mediensüchtige der Malteser Werke in Dortmund. Als Beispiele nannte er die Schaffung neuer sozialer Normen durch Instagram und Co. Viele Jugendliche fühlten sich unter Druck gesetzt, sich online immer aufwändiger präsentieren zu müssen. Einsame Jugendliche flüchten sich, so Portmann, häufig in digitale Welten. Dort werden sie nicht selten zum Opfer - sowohl durch Cybermobbing als auch durch Beeinflussung durch radikale Gruppen. Gleichzeitig sei es durch das Internet heute deutlich einfacher, Kontakte zu pflegen und Freunden und Familie nah zu sein, auch wenn man an unterschiedlichen Orten lebt.
Wie der ländliche Raum von der Digitalisierung profitieren kann stellte Heidrun Wuttke vor. Das Gemeinschaftsprojekt der Kreise Lippe und Höxter "Smart Countryside" will bedarfsgerechte Mobilität im ländlichen Raum schaffen und die e-Partizipation verbessern. Dabei geht es um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität des ländlichen Raums. Im Rahmen von Smart Countryside sollen intelligente Kommunikationsplattformen für das Ehrenamt, assistierte Einsatzplanungen und neue Mobilitätskonzepte im Öffentlichen Personennahverkehr entstehen.
Wie insbesondere Senioren mit körperlichen Einschränkungen von digitalen Assistenzsystemen profitieren können, verdeutlichte Bernd Falk, Bereichsleiter des Malteser Service Center in Köln. Ein Beispiel: Sensoren im Wohnumfeld von Senioren ermitteln zunächst deren individuelles Bewegungsprofil. "Auffälligkeiten und Abweichungen vom Alltäglichen werden per App an Angehörige gemeldet. Kritische Algorithmen gehen gleich an eine Notrufzentrale." Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang, ob die Erfassung dieser persönlichen Daten neue Freiheiten schafft oder aufgrund der Überwachung eben diese Freiheit einschränkt. Passend dazu beschäftigen sich Forscher der Universität Paderborn aktuell mit der Robotik in der Pflege. Bei dem Projekt werden in Kooperation mit einer schwedischen und einer finnischen Universität Menschen bezüglich ihrer Einstellung zu Robotik in der Pflege befragt.