Diskutierten ethische Probleme des assistierten Suizids (von links): Domkapitular Dr. Thomas Witt (Vorsitzender Diözesan-Caritasverband), Max Niehoff (Geschäftsführer Diözesaner Ethikrat), Hubert Hüppe MdB, Josef Krautkrämer (Diözesan-Caritasverband), Prof. Dr. Franz-Josef Bormann (Uni Tübingen), Prof. Dr. Sabine Schäper (Kath. Hochschule NRW, Münster), Dr. Klaus Maria Perrar (Zentrum für Palliativmedizin Uni Köln) und Dr. Horst Luckhaupt (Vorsitzender Diözesaner Ethikrat).(Foto: cpd / Jonas)
Die Frage nach dem richtigen Umgang mit Todeswünschen schwer kranker Patienten diskutierten auf Einladung des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn 80 Fachleute aus Medizin, Pflege, Hospiz, Seelsorge sowie Ethik-Beauftragte und Mitglieder von Ethik-Komitees.
Mit der Frage nach der Beendigung des Lebens seien inzwischen viele Menschen konfrontiert, stellte Domkapitular Dr. Thomas Witt, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes, fest. Viele hätten schwerkranke Menschen in der Familie oder im Freundeskreis, die im wahrsten Sinne des Wortes „des Lebens müde“ seien. „Sie stehen vor der Frage, wie sie sich verhalten sollen und auch vor der Frage, wie es ihnen selbst wohl einmal ergehen wird.“ Auch in Altenpflegeheimen und Krankenhäusern seien die Mitarbeiter immer wieder mit solchen Fragen konfrontiert. Die Auseinandersetzung mit ethischen Kriterien ermögliche in der Praxis verantwortete Gewissensentscheidungen im Umgang mit dem Lebensende.
Aus der Praxis berichtete Dr. Klaus Maria Perrar vom Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln. Todeswünsche würden häufig von Krebspatienten und Patienten mit Schmerzen geäußert. Allerdings würden diese akuten Todeswünsche meist nicht lange anhalten. Ursache dafür seien meist Depressionen, Furcht vor Schmerzen oder eine allgemeine Hoffnungslosigkeit. Todeswünsche seien meist ein akuter Hilferuf, hat Perrar festgestellt. „Hinter einem Todeswunsch verbirgt sich oft im Gegenteil der Wunsch zu leben.“ Behandelnde Einrichtungen müssten deshalb richtig reagieren: Schmerzen beheben, irrationalen Ängsten begegnen, den Gründen für den Todeswunsch auf den Grund gehen und möglichst Hoffnung und Perspektiven vermitteln. Aus seiner palliativ-medizinischen Forschung und Erfahrung heraus ist Dr. Perrar sicher: „Hinter einem Todeswunsch steht äußerst selten der Wunsch nach einem assistierten Suizid.“ Auch Umfragen belegten, dass sich zwar eine Mehrheit von Gesunden im schweren Krankheitsfall den Tod wünsche. Doch je kränker die Befragten würden, desto mehr schwinde dieser Wunsch. Als Alternative zum assistierten Suizid empfahl Perrar die aktuellen Möglichkeiten der Palliativ-Medizin.
Dr. Horst Luckhaupt, Vorsitzender des Diözesanen Ethikrates im Erzbistum Paderborn und Chefarzt der HNO-Klinik im St.-Johannes-Hospital Dortmund, betonte, die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer verbiete die Hilfe zur Selbsttötung. Luckhaupt sagte, Kranke und ihre Angehörigen müssten vom medizinischen Personal mit ihren Fragen und Sorgen ernst genommen werden. Vor allem Maßnahmen in der letzten Lebensphase müssten gut kommuniziert werden. Als Problem sieht Luckhaupt allerdings: „Ärzte sind nie dazu ausgebildet worden, mit Schwerkranken zu kommunizieren.“ Erste Ansätze dazu gebe es erst jetzt an den medizinischen Fakultäten.
Eine strikte begriffliche Unterscheidung in der Diskussion um assistierten Suizid und Sterbehilfe mahnte Prof. Dr. Franz-Josef Bormann an, Moraltheologe der Uni Tübingen und Mitglied des Diözesanen Ethikrates und der Ethikkommission der Bundesärztekammer. Während bei einem assistierten Suizid der Patient selbst der Handelnde sei, habe bei der aktiven Sterbehilfe ein Dritter die „Tatherrschaft“. Jemanden sterben zu lassen sei etwas anderes als ihn zu töten. Dem Hauptargument in der gesellschaftlichen Diskussion für den assistierten Suizid, der Selbstbestimmung, hielt Bormann entgegen, dass die Annahme, ein schwerstleidender Patient könne frei entscheiden, reine Fiktion sei. Zudem befürchtet Bormann bei einer gesellschaftlich akzeptierten Form des selbstbestimmten Todes einen inakzeptablen Druck auf die Schwachen in der Gesellschaft, die sich im Krankheitsfall zum Suizid verpflichtet fühlen könnten. Dagegen stellt er das Konzept des natürlichen Todes.
Einen entsprechenden Dammbruch befürchtet auch der Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe (CDU) aus Werne (Kreis Unna). Er stellte die vier Gesetzentwürfe zur Regelung der Sterbehilfe vor, über die im November im Bundestag abgestimmt wird, und nannte den der Abgeordneten Peter Hinze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) „den gefährlichsten Antrag“. „Weil er nichts einschränken will und Ärzte verpflichten will, sich an einer Tötungshandlung zu beteiligen: Das würde zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft führen.“ Besonders gefährdet seien bei einer solchen Regelung Menschen mit Behinderung, sagte der ehemalige Behindertenbeauftragte der Bundesregierung. Diese könnten unter Rechtfertigungsdruck kommen, warum sie weiterleben wollen. Hüppe unterstützt deshalb den Gesetzentwurf von Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU), die die Suizidassistenz verbieten wollen. Da dieser Entwurf aber keine Mehrheitsaussichten habe, hoffe er, dass alternativ der Gesetzentwurf einer überfraktionellen Gruppe um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) verabschiedet werde. Diese will dem geschäftsmäßig assistierten Suizid einen Riegel vorschieben.