Zukunftsforum "Sozialpolitik"
Caritas und Politik im Blick (v. l.): Domkapitular Dr. Thomas Witt (Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes), Walter Kern MdL (CDU), Claudia Middendorf MdL (CDU), Martin Lieneke (Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion NRW), Sigrid Beer MdL (B´90/Die Grünen), Josef Lüttig (Diözesan-Caritasdirektor), Angela Lück MdL (SPD) und Moderatorin Brigitte Büscher. (Foto: cpd/Sauer)
Gleich vier Landtagsabgeordnete nutzten die Gelegenheit, der verbandlichen Caritas ihre Wahrnehmungen und Anregungen zu deren sozialpolitischer Arbeit mitzuteilen - „den Spiegel vorzuhalten“, wie es sich Domkapitular Dr. Thomas Witt als Vorsitzender und Josef Lüttig als Direktor des Diözesan-Caritasverbandes in ihrer Einladung gewünscht hatten. Moderiert wurde das Forum von der WDR-Journalistin Brigitte Büscher („hart aber fair“).
Sigrid Beer MdL (B'90/Die Grünen) gab den rund 50 Vertreter(innen) caritativer Träger und weiterer katholischer Sozialverbände gleich zum Auftakt den Tipp: „Seien Sie im besten Sinne lästig!“ Statt kiloweise Papier mit Positionierungen benötigten Politiker den persönlichen Dialog. „Wir brauchen einen ständigen Gesprächsfaden.“ Von der Caritas erwartet sie dabei, dass sie Partei ergreift für Menschen, die keine Lobby haben. „Gerade da, wo Sie sich nicht für institutionelle Interessen einsetzen, wirken Sie glaubwürdig!“ Doch genau hier liegt für manche Teilnehmer des Forums der „Knackpunkt“. Gibt es eine Lobbyarbeit für Arme, Schwache oder Ausgegrenzte, ohne sich gleichzeitig für Dienste und Einrichtungen einzusetzen, die den Betroffenen helfen wollen? Der Caritasverband ist gleichzeitig Anwalt und Dienstleister. Ist er darum ein unglaubwürdiger Lobbyist?
Im Gegenteil, meint Claudia Middendorf MdL (CDU). Genau ihre Praxiserfahrung sollte die Caritas in die sozialpolitische Diskussion einbringen. Politiker wollten wissen, wie sich Entscheidungen und Gesetze vor Ort auswirkten, auch wenn es unbequeme Antworten hervorrufe: „Seien Sie kontrovers!“ Auch Parteikollege Walter Kern MdL wünscht sich eine selbstbewusste Caritas, die ihre Rolle als Beobachter und Ideengeber im sozialen Bereich aktiv wahrnehme. „Wir sind auf Ihre konkreten Informationen angewiesen.“ Angela Lück MdL (SPD) ergänzte dies mit dem konkreten Vorschlag, stärker auf die Mitglieder solcher Arbeitskreise zuzugehen, die die entsprechenden Landtags-Ausschüsse vorbereiteten. „Nutzen Sie die Chance, um über diesen Weg den Kontakt zur Fachpolitik herzustellen.“
Wie sich Entscheidungen oder auch Nicht-Entscheidungen der Politik auf die Caritas auswirken, machten zwei Beispiele deutlich: Die Reform des Altenhilfegesetzes (GEPA NRW) treibt zurzeit Altenheime, die bislang noch wirtschaftlich betrieben werden konnten, in die roten Zahlen. Hier erhofft sich die Caritas, in die Evaluation des Gesetzes einbezogen zu werden und Korrekturen zu erreichen. Beim zweiten Beispiel, der Situation der Betreuungsvereine, die seit zehn Jahren vergeblich auf eine Erhöhung der Vergütungssätze warten, ist die Situation ungleich prekärer. Wer sich hier für eine politische Lösung einsetzt, beißt auf Granit – es scheint auf Seiten der Politik niemanden zu interessieren. „Vielleicht weil hier nur wenige Prozent der Bevölkerung betroffen sind“, wie ein Caritas-Vertreter bemerkte. „An bestimmten Stellen sind wir hilflos“, musste Diözesan-Caritasdirektor Lüttig einräumen. „Aber gleichzeitig können wir auch etwas bewirken.“ Hoffnung machen neue „Allianzen“ mit weiteren Akteuren im sozialen Feld. So berichtete Martin Lieneke von der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit über die beispielhafte Kooperation von katholischer Kirche und Arbeitsagenturen bei der Vermittlung von Arbeitslosen.
Mit dem Slogan „Respekt – alles andere kommt mir nicht in die Tüte“ werben die Caritas-Taschen für einen fairen Umgang mit sozialen Randgruppen(Foto: Julian Heitmann)
Insgesamt diente das Zukunftsforum Sozialpolitik dem Ziel, praktische Schritte aufzuzeigen, wie das politische Engagement des Diözesan-Caritasverbandes gestärkt werden kann. Dabei half ein Blick auf die Caritas-Bundesebene. Katrin Gerdsmeier, Leiterin des Berliner Büros des Deutschen Caritasverbandes, informierte über das Selbstverständnis der dortigen Lobbyarbeit und nannte Erfolgsfaktoren, wie z. B. die Glaubwürdigkeit der Caritas und die Tatsache, dass sie auf „echte“ Beziehungen zu Politikern setzt, statt diese lediglich zu instrumentalisieren. Die Teilnehmer des Forums erarbeiteten abschließend Thesen zur sozialpolitischen Lobbyarbeit der Caritas im Erzbistum Paderborn, die dem Vorstand des Diözesan-Caritasverbandes, vertreten durch Direktor Josef Lüttig überreicht wurden.
Politik gehört neben Armut und Pastoral zu den großen strategischen Herausforderungen des Verbandes in den kommenden Jahren. Zu allen drei Bereichen wurden im Jubiläumsjahr - der Verband wird im Dezember 100 Jahre alt - so genannte Zukunftsforen angeboten