Lesen braucht Freu(n)de
Lesen und Schreiben lernt man in der Grundschule. Für jeden achten Erwachsenen in Deutschland stimmt diese Aussage nicht - oder nur sehr eingeschränkt: Über 12 Prozent der Erwerbstätigen sind laut Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) funktionale Analphabeten. So nennt man Menschen, die große Schwierigkeiten damit haben, einzelne Wörter oder Sätze lesen oder schreiben zu können. Da dieser Begriff stigmatisierend wirkt, sollte besser von einer geringen "Literalität" gesprochen werden. Laut der LEO-Studie der Universität Hamburg, die vom BMBF gefördert wurde, sind knapp 60 Prozent der gering literalisierten Erwachsenen in Deutschland männlich.
Ehrenamtliche Sprachpatinnen und Sprachpaten unterstützen Kinder, die noch Schwierigkeiten mit dem Lesen haben.
Menschen mit geringem Lesevermögen haben oft einen niedrigen oder keinen Bildungsabschluss. Und sie arbeiten häufig in Helferjobs als An- oder Ungelernte. Denn: Wer in den ersten Schuljahren nicht grundlegend lesen und schreiben lernen konnte, holt das im Laufe der Schullaufbahn nur sehr schwer auf. Daher ist die Förderung im Grundschulalter extrem wichtig. Das wissen auch viele Ehrenamtliche, die sich beispielsweise als Lese- oder Sprachpat*innen bei den Caritas-Konferenzen im Erzbistum Paderborn engagieren. Sie bieten beispielsweise an Grundschulen Lese- oder Sprachübungen mit förderbedürftigen Kindern an. So kommen in Salzkotten ehrenamtliche "Sprachpatinnen" ein- oder zweimal pro Woche für eine Schulstunde in die Liboriusschule, um jeweils ein Kind zu unterstützen, das noch Schwierigkeiten mit dem Lesen hat. Mancherorts sind auch Lese-Eltern oder -Großeltern in den Grundschulen unterwegs. Diese Art der Förderung ist wichtig, denn wer Eltern hat, die selbst gering literalisiert sind oder die eine andere Herkunftssprache als Deutsch mitbringen, kann zu Hause nicht die nötige Unterstützung bekommen.
Viele Menschen versuchen ihre unzureichende Lese- und Schreibkompetenz aus Scham zu verstecken. Dabei sagt eine geringe Literalität nichts über die Intelligenz eines Menschen aus. Dennoch ist Analphabetismus ein häufiger Grund für Ausgrenzung und Abwertung. Die Caritas-Aktion "Unser Kreuz hat keine Haken" (www.kreuz-ohne-haken.de) setzt sich dafür ein, solche Mechanismen gesellschaftlicher Abwertung zu erkennen und möchte dazu ermutigen, gegen jede Form von Diskriminierung einzutreten.