Gemeinsam gegen Lebensmittelverschwendung
Die Caritas Hamm hat in einem Projekt den Kampf gegen Lebensmittelabfall in ihren Altenheimen aufgenommen. "Allein in Deutschland werden jährlich zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel vernichtet, was einer Schlange von Müllfahrzeugen entspricht, die von Hamm bis nach Peking reicht", erklärte Torsten von Borstel, Geschäftsführer von "United Against Waste", in einem Workshop der Caritas Hamm, mit dem vor einem Jahr das Projekt gestartet wurde. "Weltweit sind es rund ein Drittel der Lebensmittel, die nach aktuellen Schätzungen jährlich vernichtet werden." Weil für Lebensmittel - von der Erzeugung bis hin zur Entsorgung - zudem in hohem Maße natürliche Ressourcen verbraucht werden, bedeutet die Verschwendung zugleich auch eine erhebliche Belastung der Umwelt. Allein die Herstellung eines Hamburgers benötigt eine Menge von Wasser, die 16 Badewannen füllt.
Um dieser Verschwendung entgegenzuwirken hat sich die Initiative "United Against Waste e.V." gegründet. Für die Verbreitung des Anliegens und das Schaffen eines Bewusstseins für das Problem wurde der Lebensmittel-Großlieferant, die EVG|AG, zu der auch die Abteilung EGV|SOLUTIONS gehört, gewonnen. Diese wiederum holte die Caritas Hamm als Referenzkunden und weiteren Multiplikator mit ins Boot. "Diese enorme Verschwendung scheint in einer Welt mit rund 925 Millionen Menschen, die an Hunger leiden, paradox und ist weder ethisch noch sozial vertretbar," sind sich Caritas-Vorstand Elmar Marx und Peter Wördemann, Hauswirtschaftsleiter des Hammer Caritas Altenwohn- und Pflegeheims St. Vinzenz-Vorsterhausen, einig, das Thema anzugehen.
Mehrere Stellschrauben
Eine erste Analyse zeigt, dass auch in den eigenen drei Einrichtungen zu viele Lebensmittel verschwendet werden. "Das war schon etwas erschreckend, weil es mir und meinem Team nicht bewusst war, wie viele Lebensmittel auf den Tellern liegen bleiben und anschließend weggeworfen werden", sagt Peter Wördemann. "Zwar lagen unsere Werte nicht ganz so hoch wie im Bundesdurchschnitt, dennoch sahen wir viel Handlungsbedarf. Wenn man dazu noch weiß, dass die weggeworfenen Lebensmittel heutzutage in die Verbrennungsanlage und nicht mehr zur Weiterverwertung regionalen Bauern zugutekommen, ist das kein gutes Gefühl."
Um dem Problem entgegenzuwirken, gibt es mehrere grundsätzliche Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, so "United Against Waste". Im Falle der Caritas-Einrichtungen in Hamm waren das: Erstens, die mengengenaue Ausgabe in der Einrichtung, zweitens, Schnittstellenkommunikation zwischen Küche und Ausgabe, drittens, die genaue Bedarfsermittlung und viertens die Anpassung der Portionsgrößen an den tatsächlichen Bedarf. "Das klang zunächst einmal trivial und für alle Mitarbeitenden vor allem nach viel Verwaltungsarbeit. Ein wichtiger Aspekt war daher, alle mit ins Boot zu holen, und die Problematiken offen anzusprechen," erläutert Wördemann. Dass das im Fall der drei Hammer Altenwohn- und Pflegeheime St. Vinzenz, St. Josef und St. Bonifatius gut geklappt hat, zeigte die allgemeine Bereitschaft und das Engagement der Mitarbeitenden, etwas in diesen Bereichen zu bewegen und zum Positiven zu verändern.
Schnell wurde während des Prozesses allen Mitarbeitenden deutlich, wo die Probleme auch im eigenen Haus liegen. So war es beispielsweise den Küchenteams nicht bewusst, wie viele Lebensmittel eigentlich weggeworfen werden. Nachdem die Speisen die Küche verlassen hatten, gab es früher nur wenige Rückmeldungen über zu große oder zu kleine Mengen. Die gelieferte Suppe wurde verteilt, ohne über die Bedarfsmengen nachzudenken. Im Klartext heißt das, dass alles nach Augenmaß, von Mitarbeitenden unterschiedlich, nach bestem Wissen und Gewissen, gehandhabt wurde. "Es gibt zudem bei Suppenkellen erhebliche Unterschiede in der Größe, und genau daran haben wir gearbeitet", so Wördemann. Die verbesserte Kommunikation zwischen den Küchenteams und den Mitarbeitenden auf den Wohnbereichen machte sich schnell bemerkbar. Einheitliche Kellengrößen für die verschiedenen Gerichte wurden eingeführt, die inzwischen von der Küche für jede Mahlzeit mitgeliefert werden. So wird verhindert, dass auf den Wohnbereichen andere Kellen als in der Küche benutzt werden. Außerdem wurden tagesgenaue Bedarfsmeldungen eingeführt, denn früher wurden oft auch Mahlzeiten für Bewohnerinnen und Bewohner gekocht und geliefert, die wegen eines Arztbesuches oder Krankenhausaufenthaltes gar nicht im Haus waren.
Die passgenauere Portionierung führte nicht nur zu weniger Lebensmittelabfall, sondern wurde auch von den Bewohnern positiv aufgenommen, die ebenfalls in den Prozess mit einbezogen wurden. Vielen waren früher die oft gutgemeinten, aber manchmal auch zu großen Portionen, viel zu viel. "Heute kann bei Bedarf gerne etwas nachbestellt werden, auch wenn es im Einzelfall Mehrarbeit bedeutet. Da weht bei uns inzwischen ein ganz anderer Wind", so Wördemann.
Durch die Optimierung der kleinen Stellschrauben liegen die Ersparnisse inzwischen bei rund 30 Prozent. Die Teams der Caritas-Senioreneinrichtungen sind engagiert und mit Begeisterung dabei, auch wenn die tägliche, softwaregestützte Datenerfassung zusätzlich Zeit in Anspruch nimmt. Der positive Effekt hat alle überzeugt. Deshalb wird das Projekt auch weitergeführt. Nicht um noch mehr einzusparen, sondern um die Prozesse zu schärfen, nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, sondern die Erkenntnisse sogar auf weitere Caritas-Einrichtungen auszuweiten. Die Ersparnisse können zudem die gestiegenen Lebensmittelpreise auffangen, und es kann weiter in Qualität investiert werden. Und damit das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendungen bei allen Beteiligten bleibt, werden inzwischen durchsichtige Behälter für die Lebensmittelabfälle benutzt.