"Wenn man täglich bis zu zehn Stunden in Schutzkleidung Menschen rettet, die an Corona erkrankt sind, bleibt einem selber irgendwann der Atem weg", sagt Sonja Spieker, stellvertretende Stationsleitung der Intensivstation im Paderborner Brüderkrankenhaus. Über diese und andere Grenzerfahrungen ging es beim Pontifikalamt mit Weihbischof Dominicus Meier am zweiten Libori-Sonntag. Der Diözesan-Caritasverband hatte dazu insbesondere Mitarbeitende aus Pflege und Medizin eingeladen. Welche Erfahrungen prägten sie während der Corona-Pandemie, welche Kraftquellen gibt es? Die Dialogpredigt gab darauf sehr persönliche Antworten: "Die Pandemie hat bei mir besonders anfangs Unsicherheit und Ängste ausgelöst", erklärte Prof. Dr. Jobst Greeve. Chefarzt für Innere Medizin im Vincenz-Krankenhaus Paderborn. Die Krankheit und ihr Verlauf seien noch unbekannt gewesen, die Angst vor einer Ansteckung und Verbreitung groß. Diese Angst war real, denn auch Klinik-Mitarbeitende hätten sich infiziert, unter deren Angehörigen habe es dadurch einen Todesfall gegeben.
Greeve betonte, dass zwar schnell der Mangel an Schutzmaterial beseitigt werden konnte, "nicht aber der Mangel an Verständnis". Was Klinikarbeit in Pandemie-Zeiten bedeutet, beschrieb Sonja Spieker so: "Mich hat in dieser Zeit sehr belastet, dass es keinen Ausgleich zur Arbeit gab: kein Sport, keine Restaurantbesuche, kaum soziale Kontakte." Getragen habe in dieser Zeit neben Familie und Freunden vor allem die Erfahrung, als Team zusammen zu gehören. Greeve: "Die Bevölkerung konnte sich auf uns verlassen und wir konnten uns als aufeinander verlassen. Dieses war eine ganz außergewöhnliche Erfahrung." Für ihn persönlich habe Gottvertrauen eine wichtige Rolle gespielt "Vertrauen und Hoffnung, dass am Ende alles gut wird, haben mich immer wieder gestärkt."
Die aktuelle Situation von Pflegenden habe Parallelen zur biblischen Erzählung von der Speisung der Fünftausend, verdeutlichte Weihbischof Dominicus: Die Jünger, die Jesus bei seinen Begegnungen mit zahlreichen Menschen begleiten, seien durch "grenzenlose Erwartungen" seitens der Menschen ans Ende ihrer Kräfte gekommen - ohne Zeit zum Essen oder Ausruhen. Vielen Pflegenden gehe es ähnlich, stellte der Weihbischof fest. Auch für sie bestehe die Gefahr, "dass zu viel Arbeit als belastend und unter Umständen als krankmachend erlebt wird". Pflegende würden in ihrer Tätigkeit und ihrem Dienst Außergewöhnliches leisten, betonte Weihbischof Dominicus: "Sie kompensieren den Ausfall vieler Kolleginnen und Kollegen und machen unzählige Überstunden." Nicht selten würden sie zudem in der Pandemie das Leid und die Einsamkeit derjenigen mittragen, "die im Moment kaum gesehen werden: alte und an Demenz erkrankte Menschen, die nicht verstehen können, was da gerade passiert".
Für ihren "Lebensdienst am Menschen" dankte der Weihbischof allen medizinischen und pflegerischen Kräften im Namen der Kirche von Paderborn. Diözesan-Caritasdirektorin Esther van Bebber schloss sich als Vorständin des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn diesem Dank an: "Danke, dass Sie alle den Dienst am Menschen, das menschliche Mittragen und Mitfühlen so grenzenlos gelebt haben und weiterhin leben." Eine Delegation von Caritas-Direktoren aus Skandinavien feierte den Gottesdienst mit und setzte so einen für das Libori-Fest typischen weltkirchlichen Akzent. Monsignore Georg Austen, Geschäftsführer des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken, und Domkapitular Pfarrer Dr. Thomas Witt, Vorsitzender des Diözesan-Caritasrates, konzelebrierten im Pontifikalamt, das musikalisch vom Paderborner Chor "Zwischentöne" unter der Leitung von Christian Nolden gestaltet wurde.