Sie sind engagiert, hochqualifiziert und dennoch arbeitslos: Knapp 60 Prozent der rund 47.000 schwerbehinderten Arbeitslosen in NRW könnte die Wirtschaft als Fachkräfte einsetzen. Doch vor allem private Arbeitgeber zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe, als Stellen zu schaffen, kritisiert der Diözesan-Caritasverband Paderborn anlässlich der Veröffentlichung des aktuellen Arbeitslosenreports der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. "Die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen muss verbessert werden", sagt Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig, der auch Vorsitzender des Ausschusses Arbeit/Arbeitslosigkeit der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen ist.
Mit dem Arbeitslosenreport belegt die Freie Wohlfahrtspflege in NRW, dass arbeitslose Schwerbehinderte nicht im gleichen Maße von der positiven Gesamtentwicklung am Arbeitsmarkt profitieren wie nicht-schwerbehinderte arbeitslose Menschen. Und das, obwohl sie im Schnitt besser qualifiziert sind als Arbeitslose ohne Schwerbehinderung. "Obwohl Deutschland schon vor neun Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet hat, die einen inklusiven Arbeitsmarkt verlangt, ist eine Schwerbehinderung noch immer ein gravierendes Vermittlungshindernis", kritisiert Lüttig. Einerseits beklage die Wirtschaft, keine qualifizierten Fachkräfte auf dem Bewerbermarkt zu finden. Andererseits nutzten vor allem private Unternehmen das Potenzial von Menschen mit Behinderungen nicht und zahlten stattdessen lieber eine Ausgleichsabgabe, so Lüttig. Denn ab einer Größe von 20 Arbeitsplätzen ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, wenigstens 5 Prozent seiner Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen oder eine Ausgleichsabgabe zu zahlen.
Trotz einer insgesamt besseren Gesamtentwicklung am Arbeitsmarkt ist in den Kommunen und Kreisen im Erzbistum Paderborn der Anteil der schwerbehinderten Arbeitslosen an allen Arbeitslosen im Vergleich von März 2017 zu März 2018 von insgesamt 7,0 Prozent auf 8,3 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sind insgesamt in den Kommunen und Kreisen im Erzbistum im Jahr 2016 bei privatgewerblichen Betrieben über 20 Prozent der Pflichtarbeitsplätze unbesetzt geblieben - und das, obwohl 60 Prozent der schwerbehinderten Arbeitslosen eine berufliche Qualifikation haben. Sie werden von Seiten der Agentur für Arbeit oder Jobcenter als Fachkraft, Spezialist oder Experte eingestuft. Von den nicht-schwerbehinderten Arbeitslosen erfüllen nur 48 Prozent dieses Anforderungsniveau.
"Für unsere Region benötigen wir eine konzertierte Aktion, damit private Arbeitgeber die Chancen für die Beschäftigung schwerbehinderter Fachkräfte erkennen", sagt Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. Immerhin biete sich eine klassische Win-Win-Situation an: "Fachkräfteprobleme bei den Arbeitgebern lassen sich auf diese Weise lösen, und mehr schwerbehinderte Arbeitslose erhalten die Chance auf eine nachhaltige Beschäftigung und erleben soziale Teilhabe." Sollte zukünftig keine deutliche Verbesserung bei der Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen auf Seiten der Arbeitgeber erkennbar sein, fordert die Freie Wohlfahrtspflege in NRW dazu auf, ernsthaft über die Höhe der "Ausgleichsabgabe" nachzudenken. Mit zusätzlichen Mitteln könnten mehr inklusive Arbeitsplätze zum Beispiel bei Inklusionsbetrieben eingerichtet, aber auch zusätzliche Beratungs- und Coaching-Angebote für Unternehmen angeboten werden. Sie tragen dazu bei, Vorbehalte und Ängste von Arbeitgebern gegenüber einer Beschäftigung schwerbehinderter arbeitsloser Menschen abzubauen.
(Zahlen zu allen Kreisen und kreisfreien Städten in NRW unter www.arbeitslosenreport-nrw.de)
Hintergrund "Arbeitslosenreport NRW":
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Darin enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für NRW; Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz. Ziel der regelmäßigen Veröffentlichung ist es, den öffentlichen Fokus auf das Thema Arbeitslosigkeit als wesentliche Ursache von Armut und sozialer Ausgrenzung zu lenken, die offizielle Arbeitsmarkt-Berichterstattung kritisch zu hinterfragen und die Situation in NRW zu beleuchten.