Der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn bemängelt den fehlenden politischen Willen, die Ausbeutung osteuropäischer Arbeitskräfte in der häuslichen Betreuung in Deutschland zu stoppen. "Es bewegt sich nichts, obwohl die Probleme in der so genannten 24-Stunden-Pflege nicht nur in der Fachöffentlichkeit seit Jahren bekannt sind", erklärt Diözesan-Caritasdirektorin Esther van Bebber. Insofern begrüßt der Diözesan-Caritasverband eine Initiative der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, zu der eine entsprechende Anhörung am 4. November im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales stattfinden wird.
Der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn engagiert sich seit 2009 für die faire und legale Beschäftigung ausländischer Betreuungskräfte, die in Privathaushalten leben und ar-beiten - ausgelöst durch die schlichte Feststellung, dass diese Frauen und Männer Teil der Versorgungsrealität in der ambulanten Pflege sind. Das unter dem Namen "CariFair" etablierte und bundesweit beachtete Beschäftigungsmodell ist jetzt vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) ausdrücklich als Vorbild für einen geregelten und fairen Einsatz empfohlen wird.
"Heraus aus der Grauzone", so lautete anfangs der Arbeitstitel von CariFair. Doch genau in dieser Grauzone bewegen sich laut DMIR teilweise die Beschäftigungsmodelle, die sich in den letzten Jahren etabliert haben. Es bestünden gravierende Mängel, wie es in der jetzt vorgelegten DIMR-Analyse unter dem Titel "Arbeitsausbeutung beenden. Osteuropäische Arbeitskräfte in der häuslichen Betreuung in Deutschland" heißt.
Häufige Probleme für im Haushalt lebende Betreuungskräfte seien demnach ausbeuterische Vertragsverhältnisse, in denen nur geringe oder keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden. Falls die Betreuungskräfte einen Einsatz vorzeitig beenden wollen, etwa aufgrund unzumutbarer Arbeitsbedingungen, drohten Vertragsstrafen. Nach wie vor sei irreguläre Beschäftigung ohne Vertrag und Sozialversicherung - und damit ohne jeglichen Schutz - laut DIMR verbreitet. Ein weiteres Problem sei der unzureichende Zugang zu medizinischer Versorgung, weil der Nachweis über die Sozial- und Krankenversicherung fehlt. Auch würden Betreuungskräfte als Mini- oder Midi-Jobber angemeldet, leisteten aber faktisch einen Vollzeitjob.
"Die Politik muss hier aktiv werden und klare rechtliche Voraussetzungen forcieren bzw. das vorhandene Regelwerk in seiner Umsetzung sichern und auch überprüfen", betont Esther van Bebber. Der Diözesan-Caritasverband unterstützt die vom DIMR formulierten Handlungsempfehlungen für die Politik, um die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse von im Haushalt lebenden Betreuungskräften zu regulieren. Vorrangiges Ziel sollte laut DIMR die Anstellung der Betreuungskräfte im Privathaushalt sein, um auf diese Weise den Schutz durch Arbeits- und Sozialrecht gewährleisten zu können. Das Caritas-Angebot CariFair sei ein "Leuchtturmprojekt", weil es Familien bei der Beschäftigung einer Betreuungskraft unterstützt und den Betreuungskräften durch die Anstellung im Haushalt zu rechtssicheren Beschäftigungsverhältnissen verhilft.
Das Arbeitsverhältnis wird bei CariFair über den gesamten Zeitraum begleitet, die Koordinatorinnen übernehmen die notwendige Anmeldung bei Behörden und Versicherungsträgern. Sie achten auf faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen. Sie machen den Familien von Anfang an deutlich, dass die Arbeitszeiten begrenzt sind. Das DIMR empfiehlt eine stärkere Förderung von Vermittlungsagenturen nach diesem Vorbild.
Weitere Empfehlungen des DIMR sind die Schaffung eines klaren Tätigkeitsprofils und eines Berufsbildes mit Möglichkeiten der Professionalisierung. Auch die Einführung rechtlich verbindlicher Qualitätsstandards für Vermittlungsagenturen sowie Beschwerdemöglichkeiten für Betreuungskräfte gehören zu den Vorschlägen, zudem bessere Information durch unabhängige, mehrsprachige Beratungsangebote.
Info: CariFair
Das Beschäftigungsmodell CariFair wurde 2009 als alternatives Konzept zur vielfach gängigen 24-Stunden-Betreuung von den Caritasverbänden Soest, Olpe und Paderborn in Kooperation mit dem Diözesan-Caritasverband Paderborn entwickelt: In Zusammenarbeit mit der polnischen Caritas unterstützt die Caritas in Deutschland pflegebedürftige Menschen und ausländische Arbeitskräfte gleichermaßen. Die Arbeitsverhältnisse werden zwischen den Pflegebedürftigen und der polnischen Betreuungsperson geschlossen. Die Betreuungskräfte werden nur bei Personen eingesetzt, die von einer Caritas-Sozialstation begleitet oder ambulant gepflegt werden. CariFair wird aktuell von 13 Caritasverbänden in Deutschland angeboten: in den Kreisen Paderborn, Soest, Olpe und Gütersloh, in Dortmund und im Altkreis Brilon. Außerhalb des Erzbistums Paderborn von der Caritas im Bistum Aachen in den Regionen Düren-Jülich sowie in der Region Eifel. Außerhalb NRWs sind katholische Pflegeträger in Freiburg, Bad Wörishofen und Kelheim beteiligt. Infos unter www.carifair.de
Info: Deutsches Institut für Menschenrechte (DIMR)
Das DIMR ist die unabhängige nationale Menschenrechtsorganisation Deutschlands. Es ist gemäß den Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen akkreditiert und wird vom Deutschen Bundestag finanziert. Zu den Aufgaben gehören Politikberatung, Menschenrechtsbildung, Information und Dokumentation, anwendungsorientierte Forschung zu menschenrechtlichen Themen sowie die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen.